Laut Historikerin Bauer wurden Entscheidungen des Jugendamtes „ungeschaut genehmigt und durchgewunken“.
Starke Worte fand die Salzburger Historikerin Ingrid Bauer am vergangenen Freitag im Wiener Volkskundemuseum. Sie sprach im Rahmen eines Symposions über „Jugendfürsorge und Gewalt“ über die Aushebelung des Rechts bei Kindesabnahmen durch die Jugendämter.
Im Rahmen ihrer Forschungen über die Salzburger Fürsorge-Praxis bis in die 1970er-Jahre kam sie zum Schluss, dass die Pflegschaftsgerichte die Entscheidungen des Jugendamtes ohne Überprüfungen „ungeschaut genehmigt und durchgewunken haben“. „Die Einbeziehung von Gerichten hat nur den Anschein der Rechtsstaatlichkeit gehabt.“
Mangelnde Kontrolle sprach bei der Tagung auch Hemma Mayrhofer vom Institut für Rechts- und Kriminalpsychologie an. Sie erforschte Hintergründe zum Skandalheim Wilhelminenberg. „Es gab ein Kontrollversagen. Die Berichte der Erzieherinnen über die Kinder waren reine Formsache.“ Niemand sei auf die Bedürfnisse der Schutzbedürftigen eingegangen.
Der Wiener Sozialhistoriker Reinhard Sieder beleuchtete die Entwicklung der Fürsorge-Erziehung in Wien und stieß dabei auf eine revolutionäres, von August Aichhorn entworfenes, psychoanalytisches Konzept. Doch auch schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg habe die Stadt Wien die Reformvorschläge abgelehnt. Erst in den 1970er-Jahren seien sie zaghaft wieder entdeckt worden. Sein Fazit: „Es setzte sich der Begriff der schuldhaften Verwahrlosung durch.“ Kinder wurden quasi vom Fürsorge-Regime für ihre Ängste und das Erziehungsversagen ihrer Eltern selbst verantwortlich gemacht.
http://kurier.at/chronik/oesterreich/kindesabnahmen-grossteils-ohne-pruefung-der-gerichte/39.736.107
Im Rahmen ihrer Forschungen über die Salzburger Fürsorge-Praxis bis in die 1970er-Jahre kam sie zum Schluss, dass die Pflegschaftsgerichte die Entscheidungen des Jugendamtes ohne Überprüfungen „ungeschaut genehmigt und durchgewunken haben“. „Die Einbeziehung von Gerichten hat nur den Anschein der Rechtsstaatlichkeit gehabt.“
Machtstruktur
Rechtsanwälte, die Eltern in Streitigkeiten mit der Jugendwohlfahrt vertreten, beklagen auch heute noch die durchaus übliche Praxis. Im Zuge der Diskussion meldete sich die Wiener Anwältin Eva Plaz zu Wort, die ein ehemaliges Heimkind vertritt. Die Vorwürfe des 18-jährigen Wieners betreffen sadistische Handlungen in einem niederösterreichischen Heim aus dem Jahr 2008. Plaz: „Noch immer haben es Betroffene mit einer monolithischen Machtstruktur zu tun, die Kontrolle funktioniert auch heute nicht.“Mangelnde Kontrolle sprach bei der Tagung auch Hemma Mayrhofer vom Institut für Rechts- und Kriminalpsychologie an. Sie erforschte Hintergründe zum Skandalheim Wilhelminenberg. „Es gab ein Kontrollversagen. Die Berichte der Erzieherinnen über die Kinder waren reine Formsache.“ Niemand sei auf die Bedürfnisse der Schutzbedürftigen eingegangen.
Der Wiener Sozialhistoriker Reinhard Sieder beleuchtete die Entwicklung der Fürsorge-Erziehung in Wien und stieß dabei auf eine revolutionäres, von August Aichhorn entworfenes, psychoanalytisches Konzept. Doch auch schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg habe die Stadt Wien die Reformvorschläge abgelehnt. Erst in den 1970er-Jahren seien sie zaghaft wieder entdeckt worden. Sein Fazit: „Es setzte sich der Begriff der schuldhaften Verwahrlosung durch.“ Kinder wurden quasi vom Fürsorge-Regime für ihre Ängste und das Erziehungsversagen ihrer Eltern selbst verantwortlich gemacht.
http://kurier.at/chronik/oesterreich/kindesabnahmen-grossteils-ohne-pruefung-der-gerichte/39.736.107
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