Jeremies Zirkus kostet uns 232 Euro pro Tag
02.12.2012 — 23:42 Uhr
City – Der Fall des vermissten Jeremie (11), den das Jugendamt Mitte in einen Wanderzirkus gesteckt hatte – jetzt wird er endgültig zum Skandal. Die Unterbringung in der Manege kostet Hamburg täglich 232 Euro!
Und: Mindestens fünf weitere Hamburger Kinder und Jugendliche sind ebenfalls in fragwürdigen Einrichtungen untergebracht.
Die Skandal-Akte kommt durch die Senatsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (52, Grüne) ans Licht.
► Extrem hohe Kosten!
Die Unterbringung eines Kindes wie Jeremie in einem Wanderzirkus kostet die Stadt 232,48 Euro pro Tag plus 374 Euro für Lebensunterhalt pro Monat.
Das sind zusammen satte 7348,40 Euro! Davon gehen rund 2300 Euro für die Bezahlung der Pflegeeltern/Betreuer drauf, die wie ein Erzieher bezahlt werden.
Das heißt: Für pädagogische Betreuung der Kinder wie Jeremie bleiben rund 4700 Euro.
Nur: Dafür kommt ein Erziehungsvereins-Mitarbeiter im Idealfall nur alle zwei Wochen mal kurz vorbei! Wofür das meiste Geld eigentlich draufgeht, ist unklar.
► Keine Kontrolle!
Seit Januar 2011 hat der Amtsvormund von Jeremie das Kind ganze fünf Mal besucht. Das heißt: Er hat sich in knapp zwei Jahren so gut wie kein Bild gemacht.
Und das, obwohl ein Bundesgesetz vorschreibt, dass er den Jungen alle vier Wochen sehen müsste.
► Erziehung ohne Pädagogik!
Der Senat räumt ein, dass Jeremies Betreuer keine pädagogische Ausbildung hat.
► Viel mehr Kinder in Zirkusse gesteckt!
In der Senatsantwort ist von 13 Kindern und Jugendlichen aus Hamburg die Rede, die über einen Neukirchener Erziehungsverein vermittelt wurden. Dieser freie Träger hat auch Jeremie in den Wanderzirkus „Monaco“ nach Westmecklenburg gegeben, aus dem er geflüchtet ist. Solche Unterbringungen sind eigentlich für Jugendliche (mindestens 14) gedacht – Jeremie war 9, als er ins Zirkuszelt geschickt wurde.
Hamburger Kinder sind in vier weiteren Zirkussen untergebracht, u. a. im Wanderzirkus „Martinelli“ in Glinde.
BILD erreichte dort eine Mitarbeiterin. Sie bestätigt, dass sich ein Problemkind im Zirkus aufhält: „Der Junge kam mit elf Jahren zu uns, ist jetzt zwei Jahre da.“
Bei Vorführungen müsse der Junge in der Manage als Requisiteur arbeiten. Eine Schule besucht er nicht.
Die Zirkus-Frau: „Er wird per Computer und von meinem Mann unterrichtet.“
Unfassbar: Ein anderes Hamburger Pflegekind ist untergebracht bei der Stunt-Show-Familie Korth. Motto: „Qualmende Räder, fliegende Autos, reißendes Blech, Action total!“
Mehr aktuelle News aus Hamburg und Umgebung lesen Sie hier auf hamburg.bild.de.
Und: Mindestens fünf weitere Hamburger Kinder und Jugendliche sind ebenfalls in fragwürdigen Einrichtungen untergebracht.
Die Skandal-Akte kommt durch die Senatsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (52, Grüne) ans Licht.
► Extrem hohe Kosten!
Die Unterbringung eines Kindes wie Jeremie in einem Wanderzirkus kostet die Stadt 232,48 Euro pro Tag plus 374 Euro für Lebensunterhalt pro Monat.
Das sind zusammen satte 7348,40 Euro! Davon gehen rund 2300 Euro für die Bezahlung der Pflegeeltern/Betreuer drauf, die wie ein Erzieher bezahlt werden.
Das heißt: Für pädagogische Betreuung der Kinder wie Jeremie bleiben rund 4700 Euro.
Nur: Dafür kommt ein Erziehungsvereins-Mitarbeiter im Idealfall nur alle zwei Wochen mal kurz vorbei! Wofür das meiste Geld eigentlich draufgeht, ist unklar.
Seit Januar 2011 hat der Amtsvormund von Jeremie das Kind ganze fünf Mal besucht. Das heißt: Er hat sich in knapp zwei Jahren so gut wie kein Bild gemacht.
Und das, obwohl ein Bundesgesetz vorschreibt, dass er den Jungen alle vier Wochen sehen müsste.
► Erziehung ohne Pädagogik!
Der Senat räumt ein, dass Jeremies Betreuer keine pädagogische Ausbildung hat.
► Viel mehr Kinder in Zirkusse gesteckt!
In der Senatsantwort ist von 13 Kindern und Jugendlichen aus Hamburg die Rede, die über einen Neukirchener Erziehungsverein vermittelt wurden. Dieser freie Träger hat auch Jeremie in den Wanderzirkus „Monaco“ nach Westmecklenburg gegeben, aus dem er geflüchtet ist. Solche Unterbringungen sind eigentlich für Jugendliche (mindestens 14) gedacht – Jeremie war 9, als er ins Zirkuszelt geschickt wurde.
Hamburger Kinder sind in vier weiteren Zirkussen untergebracht, u. a. im Wanderzirkus „Martinelli“ in Glinde.
BILD erreichte dort eine Mitarbeiterin. Sie bestätigt, dass sich ein Problemkind im Zirkus aufhält: „Der Junge kam mit elf Jahren zu uns, ist jetzt zwei Jahre da.“
Bei Vorführungen müsse der Junge in der Manage als Requisiteur arbeiten. Eine Schule besucht er nicht.
Die Zirkus-Frau: „Er wird per Computer und von meinem Mann unterrichtet.“
Unfassbar: Ein anderes Hamburger Pflegekind ist untergebracht bei der Stunt-Show-Familie Korth. Motto: „Qualmende Räder, fliegende Autos, reißendes Blech, Action total!“
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Lebenszeichen von Jeremie
Von THOMAS KNOOP
Billstedt – Neue Hoffnung im Fall des vermissten Pflegekindes Jeremie (11) – und neue Erkenntnisse der Polizei über den Wanderzirkus, der den Jungen im Auftrag des Jugendamtes Hamburg-Mitte seit zwei Jahren großzog!
Die gute Nachricht: Es gibt ein neues Lebenszeichen von Jeremie! Eine Woche nach der Flucht des verhaltensauffälligen Jungen aus dem Zirkus „Monaco“ in Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) sagt sein Großvater Bruno A. (71): „Jeremie hat am Vormittag wieder angerufen, mit ganz trauriger Stimme. Er sagte, wenn er wieder in den Zirkus oder ein Heim müsse, dann tue er sich etwas an. Dann legte er auch schon wieder auf. Ich mache mir große Sorgen.“
Jeremie war vor acht Tagen aus Westmecklenburg geflüchtet und offenbar 105 Kilometer mit einem Transporter alleine – oder mit Helfern – nach Hamburg gefahren.
Für die Unterbringung in dem Zirkus zahlte das Jugendamt angeblich mehr als 6000 Euro im Monat.
Das Jugendamt gerät jetzt weiter unter Druck. Denn bei der Polizei sind seit mehr als zwei Jahren immer wieder Vorfälle mit Angehörigen des Zirkus aktenkundig.
Ein Polizeisprecher bestätigt: „Uns liegen mehrere Meldungen von Lasterfahrern vor, dass sie von Leuten dieses Zirkus‘ zum Teil sehr aggressiv um Diesel angebettelt wurden.“
Es geht u.a. um gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Nötigung. Ein Beispiel aus dem Jahr 2010: Zwei Mitarbeiter (21, 22) des Zirkus‘ „Monaco“ täuschten bei Neu Wulmstorf auf der B 73 Spritmangel vor. Sie hielten Lkw-Fahrer an und baten um eine Dieselspende. Als die Polizei wegen des Staus anrückte, gaben die Männer zu, sich so ihr Leben zu finanzieren. Sie hatten eine Abzapfanlage auf ihrem Laster installiert.
Geprüft wird laut Polizei auch, ob die Wanderzirkus-Leute für Diebstähle verantwortlich sind. Weiter aktenkundig: Ein angeblich zuvor geklauter Transporter des Zirkus wurde von der Polizei voll mit gestohlenen Laster-Reifen entdeckt.
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Die gute Nachricht: Es gibt ein neues Lebenszeichen von Jeremie! Eine Woche nach der Flucht des verhaltensauffälligen Jungen aus dem Zirkus „Monaco“ in Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) sagt sein Großvater Bruno A. (71): „Jeremie hat am Vormittag wieder angerufen, mit ganz trauriger Stimme. Er sagte, wenn er wieder in den Zirkus oder ein Heim müsse, dann tue er sich etwas an. Dann legte er auch schon wieder auf. Ich mache mir große Sorgen.“
Jeremie war vor acht Tagen aus Westmecklenburg geflüchtet und offenbar 105 Kilometer mit einem Transporter alleine – oder mit Helfern – nach Hamburg gefahren.
Für die Unterbringung in dem Zirkus zahlte das Jugendamt angeblich mehr als 6000 Euro im Monat.
Das Jugendamt gerät jetzt weiter unter Druck. Denn bei der Polizei sind seit mehr als zwei Jahren immer wieder Vorfälle mit Angehörigen des Zirkus aktenkundig.
Ein Polizeisprecher bestätigt: „Uns liegen mehrere Meldungen von Lasterfahrern vor, dass sie von Leuten dieses Zirkus‘ zum Teil sehr aggressiv um Diesel angebettelt wurden.“
Es geht u.a. um gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Nötigung. Ein Beispiel aus dem Jahr 2010: Zwei Mitarbeiter (21, 22) des Zirkus‘ „Monaco“ täuschten bei Neu Wulmstorf auf der B 73 Spritmangel vor. Sie hielten Lkw-Fahrer an und baten um eine Dieselspende. Als die Polizei wegen des Staus anrückte, gaben die Männer zu, sich so ihr Leben zu finanzieren. Sie hatten eine Abzapfanlage auf ihrem Laster installiert.
Geprüft wird laut Polizei auch, ob die Wanderzirkus-Leute für Diebstähle verantwortlich sind. Weiter aktenkundig: Ein angeblich zuvor geklauter Transporter des Zirkus wurde von der Polizei voll mit gestohlenen Laster-Reifen entdeckt.
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