2013/09/27

Arzt soll Heimkind schwer misshandelt haben





In Krems steht heute der Besitzer der „Kinderwelt Stiefern“ vor Gericht. Ein Arzt soll einen Zögling schwer misshandelt und mit dem Burschen unter anderem „Waterboarding“ betrieben haben. Der Angeklagte weist die Vorwürfe zurück.


Es ist der erste Strafprozess um die Ausübung von körperlicher Gewalt in einem nichtkirchlichem Erziehungsheim. Der Arzt bestreitet alle Vorwürfte. Er wird allerdings von einer ehemaligen Erzieherin belastet, die von 2005 bis 2008 in Stiefern tätig war und die im Ermittlungsverfahren die Angaben des inzwischen knapp 18-Jährigen bestätigt hat.


Vorwürfe von mehreren ehemaligen Heimkindern

 

Zudem haben sich mehrere längst erwachsene ehemalige Heimkinder an die Justiz gewandt und erklärt, der Angeklagte, aber auch andere Personen, hätten sie bereits Ende der 1970er- und in den 1980er-Jahren körperlich misshandelt.


Fall kam durch „Heimskandal“ ins Rollen

 

Der Fall kam ins Rollen, als vor drei Jahren die Vorgänge im Wiener Kinderheim Wilhelminenberg und in anderen Institutionen publik wurden und unter dem Schlagwort „Heimskandal“ in den Medien breite Erörterung fanden. Der betroffene Jugendliche, der damals in einer betreuten WG in Wien lebte, wandte sich daraufhin an seinen Sozialarbeiter und berichtete diesem von seinen Erlebnissen in Stiefern.

Die „Kinderwelt Stiefern“ ist eine private Einrichtung, die mehrere Häuser umfasst und bis zu 70 Kinder und Jugendliche betreut, die sie vom Wiener Jugendamt und dem Land Niederösterreich zugewiesen bekommt. Bereits die mittlerweile verstorbenen Eltern des Angeklagten hatten das Heim geleitet, er selbst wuchs am Gelände auf. Offiziell firmiert der Arzt heute nur mehr als Gesellschafter, formal ist seine Frau als Geschäftsführerin ausgewiesen. In Wahrheit soll er aber - jedenfalls zum Zeitpunkt des gegenständlichen Geschehens - die Zügel in Händen gehalten haben, obwohl er bei einer Einvernahme im Ermittlungsverfahren betont hatte, er greife in die Erziehung und Aufsicht gar nicht, sondern nur „bei Notfällen im medizinischen Bereich“ ein.


Angeklagter soll Buben Stock in Fuß gerammt haben

 

Den zum Tatzeitpunkt 13-Jährigen soll der Arzt laut Anklage misshandelt haben, nachdem es Erziehern nicht gelungen war, den Burschen zu bändigen. Er soll ihm einen Gehstock mit einer Spitze aus Metall auf den rechten Fuß gestellt und den Stock mit seinem ganzen Körpergewicht in den Fuß des nur mit Socken bekleideten Buben gerammt haben. Der 13-Jährige erlitt dabei dem Strafantrag zufolge eine blutende Rissquetschwunde und wurde vorsätzlich am Körper verletzt.
Danach soll der Mann den Zögling am Genick gepackt, Richtung Badezimmer geschleift und bei der halb voll gefüllten Badewanne 15 bis 20 Sekunden unter Wasser gedrückt haben, so dass der Bursch „befürchten musste, von ihm ertränkt zu werden“, wie es im Strafantrag wörtlich heißt.


Erzieherin bestätigt Version des Jugendlichen

 

Eine ehemalige Erzieherin stützt aus eigener Wahrnehmung die Angaben des nunmehr 18-Jährigen. Sie erinnerte sich bei ihrer Befragung durch die Polizei an Blutergüsse am Kopf des Jugendlichen, nachdem ihn ihr Chef traktiert habe. Als dieser mit dem Burschen im Badezimmer verschwand, habe sie das Kind verzweifelt „Hör auf, hör auf!“ schreien gehört. Als die Tür wieder aufging, sei der 13-Jährige bis zu den Schultern durchnässt gewesen.

Der Frau wurde übrigens gekündigt, nachdem sie in einem anderen Fall die physische Attacke auf einen Burschen zur Anzeige gebracht hatte. Und während die Mag Elf nach einem Kontrollbesuch in Stiefern im Dezember 2010 noch in einem Protokoll wörtlich festhielt, der Angeklagte „würde so etwas nie tun“ und die Vorwürfe „absurd“ nannte, meldeten sich eine ganze Reihe von ehemaligen Heimkindern, die den Ermittlungsbehörden erzählten, der Mann habe sie bereits als junger Erwachsener vor Jahrzehnten auf sadistische Weise gequält, indem er sie beispielsweise als der körperlich Überlegene zwang, in den Hühnerstall zu kriechen und Eier einzusammeln, während er mit einem Schrotgewehr auf die Hühner schoss.

Diese Vorfälle sind an sich verjährt und wären damit keiner gerichtlichen Aufarbeitung mehr zugänglich, es sei denn, es würden sich allfällige weitere Opfer oder Zeugen zu Vorgängen 1990er-Jahren melden.



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