2014/05/13

DDR-Kinderheime: "Ich höre noch die Schreie..."



Tausende Kinder gingen in DDR-Heimen durch die Hölle. Für manche waren nicht die körperlichen Misshandlungen oder der sexuelle Missbrauch das Schlimmste. Sondern die Ferien im Heim. Eine Geschichte aus Heldburg.
Ort der Verzweiflung: Auf der Veste Heldburg war zu DDR-Zeiten ein Kinderheim. Über die schlimmen Zustände dort berichtet ein Mann, der heute Mitte 50 ist. Er hat diesen Aufenthalt nur knapp überlebt. Als kleiner Junge wollte er sich dort in den Tod stürzen - nach einem ersten sexuellen Missbrauch, dem viele Übergriffe folgen sollten. Foto: Peter Michaelis 
 Ort der Verzweiflung: Auf der Veste Heldburg war zu DDR-Zeiten ein Kinderheim. Über die schlimmen Zustände dort berichtet ein Mann, der heute Mitte 50 ist. Er hat diesen Aufenthalt nur knapp überlebt. Als kleiner Junge wollte er sich dort in den Tod stürzen - nach einem ersten sexuellen Missbrauch, dem viele Übergriffe folgen sollten. Foto: Peter Michaelis  
Suhl/Erfurt. Als er sieben Jahre alt war, wollte Konrad Witt sterben. Er stieg auf eine Mauer der Veste Heldburg. Und sprang. Zehn, fünfzehn, zwanzig Meter tief - wie tief er damals fiel, weiß Witt bis heute nicht. Nur, dass er wie durch ein Wunder nicht mal einen Kratzer davon trug, das weiß Witt genau. "Wenn ich heute daran denke...", sagt Witt. "Heute kann ich von der Mauer, auf der ich damals gestanden habe, nicht mal runter schauen. Wahnsinn." Nur ein paar Stunden vor diesem Selbstmordversuch war Witt in das Kinderheim eingeliefert worden, dass damals in der Veste Heldburg untergebracht war. Dort war Witt - kaum war er durch das Tor der Anlage gegangen - sexuell missbraucht worden. 


Stationen eines Ausgestoßenen

 

All die Heime, in denen Witt bis zu diesem Zeitpunkt schon war, waren nur eine Vorstufe für das, was ihn in Heldburg erwartete. Kein anderes Heim, sagt Witt, sei so schlimm gewesen wie Heldburg. Im Alter von zwei Jahren hatte seine Mutter ihn ins Kinderheim und zur Adoption frei gegeben. 1962 war das. Sie hatte einen neuen Freund, der Witt nicht als Teil der Familie akzeptieren wollte. Erste Station für den Verstoßenen: Elgersburg. Dann Wernshausen. Dann Marisfeld. Im Alter von sieben Jahren, kam er schließlich nach Heldburg. Nachdem Witt bis zu diesem Zeitpunkt beinahe jährlich das Heim gewechselt hatte, blieb er die folgenden sieben Jahre in der Einrichtung in Südthüringen. Erst 1974 konnte er dem DDR-Heimsystem entfliehen - weil seine Stiefschwester ihn adoptierte. Ein paar Jahre später wurde er wieder eingesperrt. Nachdem das SED-Regime ihn im Kinderheim mit politischen Botschaften zur Überlegenheit des Sozialismus vollgepumpt hatte, schlug diese Indoktrination ins Gegenteil um. Witt unternahm 1982 einen Fluchtversuche in den Westen. Er wurde gefasst. Saß drei Jahre und drei Monate in Bautzen. 

Was Witt - der Name ist geändert - über den Alltag in Heldburg erzählt, lässt sich nur schwer in Einklang mit Vorstellungen davon bringen, wie es in einem europäischen Land in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zugegangenen sein sollte; selbst dann, wenn inzwischen hinlänglich bekannt ist, dass das SED-Regime im Umgang mit Andersdenkenden und Systemkritikern nicht zimperlich war und die DDR in vielerlei Hinsicht eben kein Rechtsstaat war. Aber der Umgang mit Kindern... Dass Menschen, die in der alten Bundesrepublik aufgewachsen sind, seit ein paar Jahren davon berichten, auch in Kinder- und Jugendheimen im westlichen Teil Deutschlands sei es damals über Jahrzehnte hinweg zu offenbar ganz ähnlichen Exzessen wie im Osten gekommen, macht die Sache keinesfalls besser - oder begreiflicher. "Wir hatten so einen Erzieher", sagt Witt, "der hat uns immer die Brustwarzen umgedreht." Völlig blutunterlaufen seien diese empfindlichen Körperteile schließlich gewesen. Andere Betreuer hätten Kinder mit Kissen beinahe erstickt. "Kissen drauf, erst mal warten und dann ganz plötzlich das Kissen wieder wegnehmen. Und dann gleich noch mal", sagt Witt. Ältere Kinder seien dazu angestiftet worden, kleinere zu verprügeln - wenn die Erzieher und Lehrer in den Heimen nicht selbst zugeschlagen oder zugetreten hätten. Ob männliche oder weibliche Betreuer, jeden Alters - sie alle hätten sich an den jungen Menschen "ausgetobt". "Körperliche Misshandlungen", sagt Witt, "waren Gang und Gäbe. Das war normal. Das wussten auch alle." Anders bei den sexuellen Übergriffen der Erwachsenen auf ihre Schutzbefohlenen. "Darüber hat man nicht gesprochen. Man hat ja schon einen roten Kopf gekriegt, wenn man nur daran gedacht hat." 

Gelitten und geschwiegen
http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/DDR-Kinderheime-Ich-hoere-noch-die-Schreie-616251828 

1 Kommentar:

  1. Anonym02:06

    Ich war auch auf der Heldburg 1958- 1962 .das stimmt das was da los war . Das wir misthandelt wurde von den Erziehern .Der schlimmste war Siegfried Koch mit seinen Roller Schwalbe uns gejagt hatte auf den Hof .mir hatten sie auch meinen Rücken abgebrüht unter der Dusche , bis ich blasen hatte .

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