Rechtsinformation
Familienrecht
Bedeutung des Kindeswillens bei Sorgerechtsentscheidungen
Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 27.06.2008 eine weitere Entscheidung zum Kindeswillens bei Sorgerechtsentscheidungen getroffen.
Im vorliegenden Fall wurde seit der Trennung der Eltern der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen. Einige Jahre später stellte der Kindesvater bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes einen Abänderungsantrag. Das Familiengericht übertrug ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht des inzwischen 11-jährigen Kindes. Es begründete seine Entscheidung damit, dass bei beiden Elternteilen gleichermaßen eine Erziehungseignung vorliegt und dass das Kind seit einem Jahr konstant und klar seinen diesbezüglichen Willen zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater geäußert hat.
Dabei wurde auch festgestellt, dass es sich bei diesem Kind um ein intellektuell gut entwickeltes Kind handelte. Das Oberlandesgericht änderte diese Entscheidung des Familiengerichtes ab und wies den Abänderungsantrag des Vaters zurück.
Diese Abweisung wurde nunmehr durch vorgenannten Beschluss vom BVerfG wegen Verletzung des Elternrechts aufgehoben und an das OLG zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen verwies das BVerfG darauf, dass für einen Wechsel der elterlichen Sorge schwerwiegende, das Wohl des Kindes gravierend berührende Gründe vorliegen müssen.
Eine Abänderung der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erfordert besondere Anforderungen an die Prüfung des Kindeswohls. Dabei hat das OLG in seiner Entscheidung den vom Kind über einen langen Zeitraum geäußerten Wunsch zum Wechsel des Sorgerechtes auf den Kindesvater nicht im erforderlichen Maße gewürdigt.
Soweit es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, ist der Wille des Kindes im Sorgerechtsverfahren zu berücksichtigen. Da sich der elterliche Konflikt auch nachhaltig auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss auch dessen Individualität entsprechend bewertet werden. Äußert das Kind seine persönlichen Empfindungen und seine eigene Meinung, so übt es sein Recht auf Selbstbestimmung aus. Dabei kommt dem Willen eines Kleinkindes noch ein geringes Gewicht zu, weil das Kind noch nicht in der Lage ist, seinen eigenen Willen vollständig zu bilden.
Bei steigendem Alter und steigender Einsichtsfähigkeit wiegt der Kindeswillen jedoch umso mehr. Dabei kann der vom Kind geäußerte Wunsch auch ein Signal für eine verstärkte Bindung zu einem bestimmten Elternteil sein, den das Gericht berücksichtigen muss. Bei Kindern, die eine hohe Verstandesreife und einen sehr guten intellektuellen Entwicklungsstand aufweisen, muss unterstellt werden, dass sie die Konsequenzen ihrer Willensäußerung für die Zukunft überschauen und beurteilen können.
Sofern hinsichtlich der Eltern eine gleichwertige Erziehungseignung festgestellt wird und die Entscheidungsfindung des Kindes unbeeinflusst ist, ist sein Recht auf Selbstbestimmung mit zunehmendem Alter immer mehr zu berücksichtigen. Je älter ein Kind ist, desto mehr Gewicht wird seiner eigenen Meinung beizumessen sein.
Mit zunehmendem Alter lassen sich Beeinflussungen durch Geschenke nahezu ausschließen. Deshalb kommen Entscheidungen gegen den Kindeswillen älterer Kinder lediglich bei Gefährdung des Kindeswohls in Betracht.
vgl. ZFE 1/2009, S.31, 32
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Bettina Israel
Rechtsanwätin[zum Anfang]
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