2015/04/22

Kindeswohlindustrie - Kinderhandel - Deutschland

In der Jugendhilfe können private Träger und Gutachter viel Geld verdienen

Von Jana Frielinghaus
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Auch im sensiblen Bereich der Jugendhilfe sind in der Bundesrepublik mittlerweile zahlreiche genuine Aufgaben des Staates privatisiert. Es hat sich ein riesiges Netz freier Träger gebildet, die Heime betreiben, sogenannte Familienhilfen stellen und vieles mehr. Der Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecker, der bundesweit Eltern und Kinder vor Familiengerichten vertritt, sprach gegenüber jW von einer regelrechten »Kindeswohlindustrie«.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom 25. Januar dieses Jahres wendete die öffentliche Hand 2013 rund 4,7 Milliarden Euro für die Unterbringung junger Menschen außerhalb des Elternhauses in Vollzeitpflege, Heimen oder Einrichtungen des betreuten Wohnens auf. Das ist gegenüber 2006 ein Anstieg um 43 Prozent. Das Geld geht zum größten Teil an private Träger, die ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Kinder so lange wie möglich zu behalten. Es wird faktisch nicht kontrolliert, was mit den jungen Menschen und für sie getan wird, oder ob ihnen gar gravierender Schaden zugefügt wird.

Nur in Einzelfällen wie dem der Haasenburg GmbH, die in Brandenburg geschlossene Jugendheime betrieb, in denen es jahrelang zu schweren Misshandlungen und Zwangsverabreichung von Psychopharmaka gekommen war, wurden daraus Konsequenzen gezogen. Allerdings wurden die Missstände nicht durch die staatliche Aufsicht aufgedeckt, sondern durch Medienberichte. Die Haasenburg sei, was Zwangsbehandlungen Minderjähriger betrifft, »nur die Spitze eines Eisberges«, meint Anwalt Saschenbrecker.
In Bremen hat die »Pflegekinder in Bremen gGmbH« (PiB) seit 2002 das Monopol für die Vermittlung von Ersatzeltern. Sie arbeitet im Auftrag der Sozialsenatorin. Nach Angaben der taz Bremen vom 23.3. gibt die Stadt pro »Fall« und Jahr gut 60.000 Euro aus – von denen die Pflegefamilie aber höchstens 15.840 bekommt. Für den begleiteten Umgang von Eltern mit ihren von ihnen getrennten Kindern ist in der Hansestadt unter anderem die »Reisende Werkschule Scholen« zuständig, die eine Wohngruppe für Jugendliche betreibt, Familienhilfen stellt und sogenannte Clearings in familiären Konflikten durchführt.
 In Bonn hat ein Vater die skandalösen Versäumnisse des freien Trägers »Kleiner Muck e.V.« bei einem Clearing in einer Onlinedokumentation öffentlich gemacht. Der Verein reichte nach Veröffentlichung des Reports Klage gegen ihn ein – allerdings ohne Erfolg. Die Website ist weiter verfügbar, ebenso diejenige, die der Mann über das Jugendamt Bonn erstellt hat (www.jugendamt-bonn-erfahrungsbericht.de). Hier steht jedoch noch eine endgültige Gerichtsentscheidung aus.
Nach Überzeugung von Saschenbrecker müssten unabhängige Beschwerdestellen geschaffen werden, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können. Deren Mitarbeiter sollten Zugang zu den Heimen bekommen, um Vorwürfe prüfen zu können. Darüber hinaus sei es dringend erforderlich, das »Gutachterunwesen« zu beenden. Familienrichter müssten sich endlich wieder selbst ein Bild über einen Konflikt machen, statt allein auf das Urteil sogenannter Sachverständiger zu setzen, meint der Jurist. Noch wichtiger aber sei die Einführung einer Gutachterhaftung. Die bestellten Experten sollten für Fehleinschätzungen haftbar gemacht werden können. Nicht selten kassierten sie »10.000 Euro pro Instanz«, ohne sich für irgendetwas verantworten zu müssen.

Eine am 23. Februar ausgestrahlte ARD-Dokumentation zum Thema (»Mit Kindern Kasse machen. Wenn Jugendhilfe zum Geschäft wird«) ist auf Youtube verfügbar.
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    Jana Frielinghaus

Kinderhandel

Unter Kinderhandel versteht man laut ODCCP (Office for Drug Control and Crime Prevention) die Anwerbung, den Transport, die Übersendung, die Unterbringung oder die Entgegennahme von minderjährigen Personen zum Zwecke ihrer Ausbeutung und zwar mittels Drohung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen von Zwang, durch Entführung, Betrug, Täuschung, den Missbrauch von Macht oder einer Position der Verwundbarkeit oder durch das Geben oder Empfangen von Geld oder Begünstigungen, um so die Zustimmung einer Person zu erwirken, die die Kontrolle über eine andere innehat.
Der Handel mit Kindern dient u.a. zum Zwecke:
Der Kinderhandel ist aufgrund des internationalen Abkommens zur Unterdrückung der Frauen- und Kinderhandels vom 30. September 1921 eine unter Strafe zu stellende Tat. In Deutschland ist Kinderhandel nach § 236 StGB strafbar in Form des Verkaufs, Kaufs von Kindern und der unbefugten Adoptionsvermittlung.
Des Weiteren ist die sexuelle Ausbeutung von Kindern durch viele verschiedene Rechtsgrundlagen strafbar. (Sexueller Missbrauch von Kindern, Kinderpornographie, Krimineller Menschenhandel, etc.)

http://de.wikipedia.org/wiki/Kinderhandel

 

 

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