Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Entfremdung von einem Elternteil und der Entwicklung von Kindern?
Verschiedene Gerichte haben in den letzten Jahren die Frage erörtert, ob nach einer Trennung die gezielte Entfremdung eines Kindes vom umgangsberechtigten Elternteil und eine damit verbundene Verweigerung von Umgangskontakten eine Kindeswohlgefährdung darstellen können.1 Über veröffentlichte Einzelfälle hinaus hat sich begleitend eine kontroverse Fachdiskussion 2 entfaltet, in der vor allem vier Punkte erörtert wurden:
- Ursachen kindlicher Umgangsverweigerung;
- Diagnostik gezielter Entfremdung;
- Folgen von Umgangsverweigerung und Kontaktverlust für das Kindeswohl;
- geeignete Interventionsformen bei Umgangsverweigerung.
Ursachen kindlicher Kontaktverweigerung
Studien aus verschiedenen Ländern, in denen Kinder ab dem Grundschulalter nach einer Trennung der Eltern befragt wurden, zeigen, dass eine deutliche Mehrheit betroffener Mädchen und Jungen Besuchskontakte begrüßt und sich allenfalls über zu seltene Kontakte beklagt.3 Einzelne vorübergehende Konflikte und Belastungsanzeichen im Zusammenhang mit Umgangskontakten kommen aber trotzdem häufig vor, insbesondere bei jüngeren Kindern.4 Auf der Erwachsenenebene können Umgangskontakte in etwa 30 bis 40 Prozent der Scheidungen nicht für beide Elternteile zufrieden stellend geregelt werden.5 Zu welchem Anteil Konflikte der Eltern mit anhaltenden Problemen des Kindes beim Umgang einhergehen, ist nicht genau bekannt. Die wenigen zur Entwicklung von Umgangskontakten vorliegenden Längsschnittstudien6 deuten aber darauf hin, dass länger währende Auseinandersetzungen der Eltern entweder Belastungen und Schwierigkeiten eines Kindes bei Besuchskontakten zur Ursache haben können oder aber auch umgekehrt sekundär zu Problemen des Kindes beim Umgang führen können. Befragungen erwachsener Scheidungskinder7 haben zudem ergeben, dass nicht selten Beeinflussungsversuche des hauptsächlich betreuenden Elternteils gegen die Umgangskontakte erinnert werden, vielfach aber vor allem zu einer Belastung der Beziehung des Kindes zum hauptsächlich betreuenden Elternteil führten. In die gleiche Richtung deuten Beobachtungen von Eltern-Kind-Beziehungen in einer Stichprobe familienpsychologisch begutachteter Fälle.8 Zur Anzahl derjenigen Kinder, bei denen sich Umgangsschwierigkeiten zu einer Ablehnung des besuchsberechtigten Elternteils und einer Kontaktverweigerung verdichten, liegen kaum Daten vor. In einer amerikanischen Untersuchung 9 waren selbst unter Hochkonfliktscheidungsfamilien nicht mehr als zehn Prozent der Kinder davon betroffen. Dieser Anteil ist aber groß genug, um eine erhebliche Arbeitsbelastung der Familiengerichte und Jugendhilfe nach sich zu ziehen. Innerhalb der Gruppe Kontakt verweigernder Kinder scheinen nach der derzeit größten vorliegenden empirischen Studie von Johnston (2003) Gründe, die von eingeschränkten Kontaktfähigkeiten des umgangsberechtigten Elternteils über Trennungsängste des hauptsächlich betreuenden Elternteils bis hin zu gezielten Manipulationsversuchen des Kindes reichen, eine Rolle zu spielen. Nach einer früheren Studie von Johnston (1993) lassen sich sechs verschiedene kindliche Motive für Umgangsverweigerungen unterscheiden, die in unterschiedlicher Gewichtung bei betroffenen Kindern vorliegen:
- Trennungsängste vor allem von Kleinkindern gegenüber der Hauptbindungsperson,
- Parteinahme des Kindes für einen Elternteil,
- Wunsch nach Abschirmung gegenüber einem anhaltenden Elternkonflikt,
- zwanghaft-fürsorgliches Beziehungsmuster des Kindes gegenüber dem hauptsächlich betreuenden Elternteil,
- Wunsch nach Vermeidung erneuter traumatischer Erlebnisse,
- Spirale von Ablehnung und Gegenablehnung zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil.
Die vorliegenden Befunde deuten in Übereinstimmung mit rechtspsychologischen Erfahrungen 10 darauf hin, dass bei einer kindlichen Umgangsverweigerung stets verschiedene mögliche Gründe in Betracht gezogen werden müssen. Über das Verhalten der beteiligten Eltern hinaus ist regelmäßig zu prüfen, welche Motive für eine Umgangsverweigerung ein betroffenes Kind bewegen.11
Diagnostik gezielter Entfremdung als Ursache von Umgangsverweigerung
Die gezielte Einflussnahme eines hauptsächlich betreuenden Elternteils kann zu einer Umgangsverweigerung eines Kindes beitragen.12 Eine solche Beeinflussung verletzt die Wohlverhaltensvorschrift nach § 1684 Abs. 2 BGB und kann auf eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit des hauptsächlich betreuenden Elternteils hinweisen.13 Eine allgemein anerkannte, durch empirische Befunde gestützte diagnostische Vorgehensweise zur Einschätzung von Ausmaß und Bedeutung gezielter Beeinflussung im Einzelfall ist nicht verfügbar.14 Jedoch kann eine Kombination verschiedener Anhaltspunkte, die einzeln für sich genommen noch keine zuverlässige Einschätzung erlauben, insgesamt gesehen ein zutreffendes Bild vermitteln. Zu solchen relevanten Anhaltspunkten zählen
- die direkte Schilderung unangemessener Beeinflussungsversuche durch Kinder oder hauptsächlich betreuende Elternteile bzw. die Beobachtung solcher Situationen im Rahmen von Hausbesuchen,
- die argumentative Verwendung von Erwachsenensprache oder Informationen durch betroffene Kinder, die von den Eltern in der Regel abgeschirmt werden,
- eine stark vereinfachte, rigide Argumentationsweise von Kindern, die ansonsten zu differenzierteren Beziehungsschilderungen und moralischen Begründungen in der Lage sind,
- eine Deckungsgleichheit der Begründungen von Kind und hauptsächlich betreuendem Elternteil für die Umgangsverweigerung und die elterliche Haltung,
- Hinweise auf ein beim hauptsächlich betreuenden Elternteil stark negativ verzerrtes Bild des getrennt lebenden Elternteils – sowie
- Hinweise auf ein unzureichendes Verständnis der Generationengrenze zwischen hauptsächlich betreuendem Elternteil und Kind.
Folgen von Umgangsverweigerung und Kontaktverlust für betroffene Kinder
Derzeit scheinen in Deutschland etwa 20 Prozent aller Scheidungskinder innerhalb von zwei Jahren nach einer Scheidung den Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil zu verlieren.15 Während sich international ein Trend zu selteneren Kontaktabbrüchen belegen lässt,16 ist für Deutschland unklar, inwieweit gesellschaftliche Reformbemühungen mit dem Ziel, Kindern nach einer Trennung häufiger den Beziehungserhalt zu beiden Elternteilen zu ermöglichen, erfolgreich waren. Der Abbruch des Kontaktes zu einem Elternteil stellt für Kinder in der Regel eine schmerzliche Erfahrung dar, auch wenn im Mittel weder mittel- noch langfristig erhebliche Beeinträchtigungen im Entwicklungsverlauf beobachtet werden.17 Die vom Gesetzgeber in § 1684 Abs. 1 BGB formulierte Erwartung eines regelhaft positiven Effektes von Umgangskontakten auf das Kindeswohl hat sich nach gegenwärtigem Wissensstand als unterspezifiziert erwiesen, da positive Auswirkungen regelhaft nur dann beobachtet werden können, wenn sich der Kontakt positiv gestaltet und die betroffenen Eltern ihre Konflikte begrenzen können.18 Zudem existieren einige Fallgruppen, bei denen Umgangskontakte insgesamt eher belastend denn förderlich wirken.19 Aufgrund fehlender Forschung ist hier nicht auszuschließen, dass Kontaktabbrüche infolge einer gezielten Einflussnahme durch den hauptsächlich betreuenden Elternteil überdurchschnittlich häufig von erheblichen Belastungen kindlicher Entwicklung begleitet werden, da betroffene Kinder nicht nur den Kontakt zu einem Elternteil verlieren, sondern überdies ein sehr negatives Bild des betreffenden Elternteils erwerben, häufig anhaltenden Konflikten der Eltern ausgesetzt sind und teilweise in problematische Beziehungsmuster gegenüber dem hauptsächlich betreuenden Elternteil verstrickt werden. In der klinischen Literatur werden daher in Einzelfällen psychiatrisch relevante Symptome und Beziehungsstörungen bei betroffenen Kindern beschrieben.20
Geeignete Interventionsformen bei Umgangsverweigerung
Die Wirksamkeit juristischer und psychosozialer Interventionen zur Überwindung von Kontaktverweigerung wurde bislang noch kaum untersucht. In einer amerikanischen Langzeitstudie 21 führten gerichtlich durchgesetzte Umgangskontakte langfristig eher nicht zu einer positiven Beziehung zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil. Erste Forschungen zu begleiteten Umgangskontakten 22 vermitteln ein vorsichtig positives Bild, da trotz vorausgehender, teils heftiger Familienkonflikte massive Belastungsreaktionen betroffener Kinder und eine stabil negative Haltung zum Kontakt eher Ausnahmen zu sein scheinen und begleitete Umgangskontakte retrospektiv überwiegend positiv erinnert werden. Aufgrund hoher Verweigerungs- und Abbruchraten sowie häufig berichteter Schwierigkeiten bei der Verstetigung von Kontakten ohne Begleitung ist aber von einer begrenzten Wirksamkeit auszugehen. Zudem verweist die Möglichkeit negativer Verläufe auch auf das Risiko, das mit Interventionen verbunden ist 23 und daher schwierige Abwägensentscheidungen von den beteiligten Fachkräften verlangt. Konfliktmindernde therapeutische Interventionen mit den Eltern begünstigen nach mehreren Studien 24 einen langfristig stabilen Umgang; jedoch ist unklar, inwieweit hierbei Fälle kindlicher Umgangsverweigerung einbezogen waren und wie sich der Umgang langfristig auf das Kindeswohl ausgewirkt hat.
Weiterführende Literatur:
Friedrich V., Reinhold C. & Kindler H. (2004). (Begleiteter) Umgang und Kindeswohl: Eine Forschungsübersicht. In M. Klinkhammer, U. Klotmann & S. Prinz, (Hrsg.), Handbuch Begleiteter Umgang. Pädagogische, psychologische und rechtliche Aspekte. Köln: Bundesanzeiger Verlag, 13-39.
Johnston J.R. & Roseby V. (1997). In the Name of the Child. A Developmental Approach to Understanding and Helping Children of Conflicted and Violent Divorce. New York: The Free Press.
Lee S.M. & Olesen N.W. (2001). Assessing for Alienation in Child Custody and Access Evaluations. Family Court Review, 39, 282-298.
Anmerkungen
1 Z.B. OLG Brandenburg FamRZ 2002, S. 1273; OLG Frankfurt FamRZ 2002, S. 1585, 1587; 2001, S. 638; AG Fürstenfeldbruck FamRZ 2002, S. 118; AG Besigheim JAmt 2002, S. 137.
2 Die am häufigsten zitierten Beiträge aus der Bundesrepublik stammen von Klenner 1995, Kodjoe / Koeppel 1998, Salzgeber / Stadler 1998, Jopt / Behrend 1999 a, b, Fegert 2001 a, b. Aus der internationalen Debatte wurde insbesondere rezipiert: Faller 1998, Gardner 1999, Kelly / Johnston 2001, Bruch 2002.
12 So kann etwa durch Abwertungen des anderen Elternteils und eine verzerrte Darstellung des Trennungsgeschehens die Parteinahme des Kindes im Trennungsstreit gefördert oder durch Klagen bzw. Drohungen die Sorge des Kindes um den hauptsächlich betreuenden Elternteil bei Umgangskontakten vermehrt werden. Eine Übersicht des Forschungsstandes zu verschiedenen Beeinflussungsstrategien findet sich bei Nielsen 1999. Aufgrund des im Mittel beschränkten Effektes von elterlichen Beeinflussungsversuchen auf die Haltung von Kindern gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil (Kindler / Schwabe-Höllein 2002; Fabricius 2003; Dunn 2004) kann allerdings aus vorhandenen Anzeichen von Beeinflussung im elterlichen Verhalten nicht nahtlos darauf geschlossen werden, dass dies die hauptsächliche Wurzel einer kindlichen Umgangsverweigerung darstellt (Lee / Olesen 2001).
13 Nach dieser Vorschrift haben Eltern „alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert“. Der Zusammenhang zwischen Wohlverhaltensvorschrift und Erziehungsfähigkeit wird allerdings durch mehrere Faktoren verkompliziert. So werden Kinder etwa u.U. gerade durch die wenig beeinflussbare und bei einem Zusammenleben mit dem Kind auch nicht zu verbergende emotionale Belastung des hauptsächlich betreuenden Elternteils beeinflusst. Zudem hat es die Rechtsprechung bislang unterlassen, Eltern im potenziellen Spannungsverhältnis zwischen einem begründeten kindlichen Interesse an Aufklärung bzw. moralischer Orientierung bzgl. des Trennungsgeschehens und Wohlverhaltensvorschrift eine in der Praxis tragfähige Orientierung an die Hand zu geben.
14 Frühe simplifizierte Ansätze der Ableitung einer ursächlichen Rolle elterlicher Beeinflussung aus Merkmalen kindlicher Begründungen für Umgangsverweigerung (z.B. Kodjoe / Koeppel 1998) haben sich als nicht haltbar erwiesen (z.B. Faller 1998; Kindler / Schwabe-Höllein 2002). Derzeit in der Diskussion befindliche Vorschläge stammen etwa von Fegert 2001 b und Lee / Olesen 2001.
17 Aktuelle Forschungsübersichten zu mittel- und langfristigen Auswirkungen des Kontaktverlustes zu einem von zwei Elternteilen finden sich bei McLanahan 1999 und Kindler / Grossmann 2004. Die in den methodisch besten Studien beobachteten schwach negativen Effekte des Kontaktverlustes im Hinblick auf Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsbeeinträchtigungen dürfen, wie bei Scheidungen insgesamt (Emery 1994), nicht zu dem Schluss verleiten, das Geschehen sei für die betroffenen Kinder nicht leidvoll. Allerdings haben Befürchtungen häufiger und deutlicher Beeinträchtigungen betroffener Kinder keine Bestätigung erfahren (Lamb 1999).
18 Für Forschungsübersichten s. Goodman et al. 1998; Amato / Sobolewski 2004; Friedrich / Reinhold / Kindler 2004.
ich finde man sollte die Situation "Pflegekind" abschaffen,
AntwortenLöschen-weil es für viele Pflegekinder eine zu grosse seelische Belastung ist....,
-weil es nix halbes und nix ganzes ist, genauso wie 1 Euro Jobs oder
Leiharbeit....,
-weil es nicht mehr zeitgemäss ist....,
-weil der kinderklau gestoppt werden muss...,
-weil KINDERHANDEL (36300 Inobhutnahmen im Jahr 2010) in der Bundesrepublik Deutschland nach §236 StGB
verboten ist!!....,
-weil Rückführungen oft gar nicht stattfinden.....,
-weil Kinder zu VOLLWAISEN gemacht werden!!!...,
-weil Pflegekinder um ihre Identität betrogen werden!!...,
-weil Traumatas oft mit dem Begriff SENSIBEL bagatellisiert werden....,
-weil Pflegeeltern auch nicht immer nur "lieb und nett" sind....,
-weil ein Kind keine Ware ist, die man hin und her schieben kann....,
-weil schlechte Eltern hart bestraft werden müssen!!.....,
-weil man den Eltern helfen muss,statt Kinder zu entziehen....,
-weil „Pflegeeltern“, wie Sie sie nennen, professionelle Dienstleister sind, und eben keine Eltern. Sie bieten gegen Bezahlung Kindern, die nicht zur Adoption freigegeben wurden, ein familiäres Lebensumfeld.
-weil keiner mit Kindern Geld verdienen darf....,
-weil alleine schon der Begriff "Pflegekind" ein Unwort ist....,
-weil ein Kind erzogen und nicht "gepflegt" werden muss....,
-weil schon zuviele Pflegekinder gestorben sind...,
-weil Adoption vernünftiger ist....,
-weil die Fehler immer beim Pflegekind gesucht werden ,und nicht bei den Pflegeeltern....,
-weil Pflegekinder oft ein LEBEN lang traumatisert sind !!!....,
-weil Pflegekinder entwurzelt, entfremdet werden, und im erwachsenenalter labil ,ambivalent, beziehungsunfähig sind....,
-weil sich das Pflegekind immer an die Pflegefamilie anpassen muss.....,
-weil ein Pflegekind IMMER der FREMDE ist....,
-weil Pflegeeltern oft Drogen nehmen und lügen....,
-weil Pflegekinder KEINE Erbanschprüche haben....,
-weil Pflegekinder weniger Rechte haben....,
-weil Pflegekinder keinen Führerschein und ein Auto von den Pflegeeltern zum 18ten Geburtstag bekommen, wie leibliche kinder,sondern"entsorgt" werden,indem man sich einfach nicht mehr um sie kümmert,mit dem Argument :du bist doch jetzt erwachsen,bezahle deine Bedürfnisse selbst!!!....,
-weil Kinder kein "Forschungsprojekt" sein dürfen ,wie z.B. bei der Universität in SIEGEN ,
die da mit Pflegekindern spricht....,
-weil ich es für unmenschlich,barbarisch und PERVERS halte....,
-weil die Würde des Menschen unantastbar ist....,
-weil ICH selbst ein Pflegekind gewesen bin....,