2013/02/21

Missbrauchtes Mädchen spricht über Gewalt und Demütigung in Kinderheim


Missbrauch

ALTMÜNSTER/LINZ. Im Alter von elf Jahren wurden die heute 13-jährige Lena (Vornamen geändert) und ihr Bruder Emil (11) vom Freund der Mutter sexuell missbraucht. Der Mann wurde verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt, die er seither verbüßt.

 



Weil die Mutter (32) daraufhin einen seelischen Zusammenbruch erlitt und weil die Wohnverhältnisse als desolat beschrieben wurden, kamen die missbrauchten Kinder und ihre zwei Geschwister im März 2010 in ein Heim des SOS-Kinderdorfs in Altmünster. Lena, die älteste der vier Geschwister, berichtet den OÖN über Vorfälle von Gewalt und dubiosen Erziehungsmaßnahmen in der Einrichtung.


So habe ein Betreuer ihren Bruder Emil mehrfach geschlagen, sodass er blaue Flecken gehabt habe. Ihr kleiner Bruder Andreas (6) sei zur Strafe, weil er nicht habe einschlafen können, in einer Herbstnacht bei strömendem Regen 20 Minuten vor die Tür gestellt worden. „Seither wurde er oft krank, bekam 40 Grad Fieber“, sagt das Mädchen. Sie selbst sei vor anderen Heimkindern von Betreuern gedrängt worden, doch endlich über die „sexuelle Belästigung“ durch ihren Stiefvater zu erzählen. Es gebe in dem Heim auch Kollektivstrafen und Zimmerarrest.


„Wenn wir nicht brav waren, bekamen wir kein Essen mehr. Ich kenne das Gefühl, hungrig ins Bett oder in die Schule zu gehen“, sagt die 13-Jährige. Ein anderer Bub sei auch geschlagen worden und über Nacht im Zimmer eingesperrt worden – mit einem Topf für die Notdurft. Als der Bub einmal eingenässt habe, habe ein Betreuer die anderen Kinder aufgefordert, ihn deswegen auszulachen. „Erst als vor kurzer Zeit das Besuchsrecht unter Aufsicht gelockert wurde und ich mit meinen Kindern außerhalb des Heimes sprechen konnte, haben mir die Kinder von den Vorfällen erzählt“, sagt die Mutter. Sie hat Anzeige erstattet.

Nach einer Suizidandrohung befindet sich die 13-Jährige seit vier Wochen im Wagner-Jauregg-Spital. „Dort geht es mir viel besser und die Therapeutin akzeptiert es, wenn ich nicht mehr über die Sachen von früher reden möchte“, sagt Lena.


Annemarie Lammer vom Kinderdorf in Altmünster weist die Vorwürfe von Schlägen entschieden zurück. „Auch Essensentzug gibt es bei uns nicht.“ Das Personal sei sehr qualifiziert.



Sexueller Kindesmissbrauch

Am 5. November 2009 entdeckt die Mutter von Lena und Emil auf dem Handy ihres Lebensgefährten pornografische Aufnahmen der beiden Kinder und erstattet sofort Anzeige. Der Mann wird noch am selben Tag festgenommen und die Untersuchungshaft verhängt. Der Angeklagte wird im April 2010 rechtskräftig verurteilt: vier Jahre Haft wegen schwerer Sexualdelikte, die der Mann derzeit verbüßt. Die Mutter bittet direkt nach der Anzeige in ihrer Not das Jugendamt um Hilfe. „Ich habe erst nach einem Monat einen Rückruf erhalten.“

Im März 2010 verliert die 32-Jährige das Sorgerecht für ihre vier Kinder.



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