2012/07/19

Pflegekinder wurden oft wie Sklaven gehalten Nach den Kinderheimen geraten die Pflegeeltern ins Visier. Viele Kinder wurden ausgebeutet. Einige wollen klagen.

Letztes Update am 01.07.2012

Einsamkeit durch Gewalt und Misshandlung: Die Pflegekinder aus Wien wurden jahrzehntelang alles andere als kindgerecht behandelt (Symbolbild) 

 
Sabine spricht von Zwangsarbeit. Als kleines Kind war sie von der Gemeinde Wien zur Pflege aufs Land geschickt worden. „Wir wurden von den Pflegeeltern ausgebeutet“, sagt sie. Ihre Anwältin bereitet bereits eine Klage vor.

Sabine war kein Einzelfall. Hunderte, wenn nicht Tausende Kinder sind in der Nachkriegszeit nicht nur in Heime, sondern auch zu Pflegefamilien verschickt worden. Da wie dort gab es aus heutiger Sicht menschenunwürdige Zustände. Die Ersatzeltern am Land waren oft in vieler Hinsicht nicht besser als die Erzieher in den Heimen.

In seinem von der Stadt Wien beauftragten Historiker-Bericht über Kinderheime streift Univ. Prof. Reinhard Sieder auch die Situation der Pflegekinder der 1940er- bis 70er-Jahre. Pflegefamilien, so berichtet Sieder, gehörten meist der sozialen Unterschicht an. „Die meisten der Wiener Pflegekinder wurden in Familien auf dem Land untergebracht.“ In Jennersdorf und Radkersburg im Burgenland seien regelrechte Pflegeeltern-Kolonien entstanden. Bauernfamilien nahmen bis zu zehn Kinder aus Wien in Pflege. Die Historiker-Kommission vermutet, dass das vom Jugendamt bezahlte Pflegegeld für die „Großpflegefamilien“ eine Rolle gespielt hat. Kinder wurden zudem von der Fürsorge in unmenschlichen Zuständen vorgefunden: Verlaust, verwanzt, verkotet.

Bettnässen


Sozialforscher R. Sieder 
 
  Alexandra G. kam 1971 im Alter von zwei Jahren vom Wiener Zentralkinderheim zu Pflegeeltern im Südburgenland, wo sie bis zu ihrem sechsten Lebensjahr untergebracht war. „Die haben eine Art Wirtschaft gehabt.“ Stallarbeit stand an der Tagesordnung. Alexandra wurde bald Bettnässerin. „Wenn es wieder passiert ist, hab ich das Leintuch selber waschen müssen.“ War es nicht sauber, rollte die Pflegemutter den nassen Stoff zusammen und schlug damit auf den Rücken des Mädchens ein.
Später kam Alexandra ins Heim in Biedermannsdorf: Prügelstrafen, Essen von Erbrochenen, kaum Schulbildung. Die heute 43-Jährige hat zwei Selbstmordversuche hinter sich und versucht ihr Trauma als Pflege- und Heimkind mit Psychotherapie zu überwinden.

Nach dem Aufbrechen der Vergangenheit von Heimkindern könnte mit dem Historiker-Bericht eine neue Welle der Entschädigungsforderungen auf die Stadt Wien zukommen. Bisher haben sich 117 ehemalige Pflegekinder bei der Opferschutz-Organisation Weisser Ring gemeldet. Alleine im Jahr 1970 waren allerdings 540 Wiener Kinder bei Pflegeeltern in der Hauptstadt und 1341 am Land untergebracht.
Eine Mitarbeiterin der MA 11 (Wiener Jugendamt) habe den Sozialforscher Sieder „überreden“ wollen, „diese kritischen Passagen über die Pflegekinder (aus dem Historiker-Bericht, Anm.) wieder rauszunehmen“, sagt er im KURIER-Interview. Aber Josef Hiebl, Rechtsexperte der MA 11, und Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) hätten auf der umfassenden Darstellung der Jugendwohlfahrtsgeschichte bestanden. „Es ist dringend notwendig, dass wir uns dieser Geschichte auch annehmen“, sagt Hiebl. Ein weiteres Forschungskonzept zum Thema „Pflegefamilien“ sei in Ausarbeitung.

Dass blanker Horror bei Pflegeeltern nicht allgegenwärtig war, zeigt das Beispiel von Maria A., 41. Sie kam 1972 mit eineinhalb Jahren zu Pflegeeltern nach Baden bei Wien. Im Gegensatz zu später, als der Lebensgefährte ihrer leiblichen Mutter ihr das Leben zur Hölle machte, wurde sie von dem kinderlosen Paar „liebevoll aufgenommen“. „Ich habe sie bis zum Tod der Pflegemutter regelmäßig besucht.“

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„Rechtlos“


Harte Arbeit: Autor F. J. Stangl 
 
  „Wir waren rechtlose Knechte“, erinnert sich hingegen Franz Josef Stangl, 59. Er wurde im Alter von fünf Jahren von der Grazer Fürsorge zu Pflegeeltern aufs Land geschickt. Mehrmals wechselte der Pflegeplatz, ehe er bei einer Bäuerin landete, die er nur mehr als „die Hexe“ beschreibt.
„Wir mussten arbeiten wie die Großen.“ Stall ausmisten, Heu einholen. Den ganzen Tag. Zuneigung? Fehlanzeige. Stattdessen gab es Prügel mit dem Ochsenziemer, Essensentzug, schlafen im Stall. Stangl hat diese Erlebnisse in einem Buch verarbeitet („Der Bastard“, Bibliothek der Provinz).

Anerkannt: Pflegeeltern werden gut ausgebildet


„Aufarbeitung“: J. Hiebl, MA 11 
 
 
  Die Situation vor 30, 40 Jahren, könne man mit heute nicht mehr vergleichen, heißt es seitens des Wiener Jugendamtes (MA 11). „Wir haben heutzutage ein international anerkanntes Pflegewesen", sagt Josef Hiebl, Rechtsexperte der MA 11. Gemeinsam mit Fachleuten der EU sei ein Ausbildungsverfahren für Pflegeeltern ins Leben gerufen worden. Etwa die Hälfte der rund 3200 vom Wiener Jugendamt im Obhut genommenen Kinder werden in Pflegefamilien betreut. Die andere Hälfte lebt längst nicht mehr in Heimen, sondern in betreuten Wohngemeinschaften.

„Es ist ja gar nicht so einfach, ein fremdes Kind mit eineinhalb, zwei Jahren aufzunehmen", sagt eine Sprecherin der MA 11. „Es wurde möglicherweise schlecht betreut oder war von Gewalt betroffen", zollt sie engagierten Paaren, die Kinder in Pflege nehmen, Respekt. Derzeit gib es in Wien rund 500 Pflegefamilien. Durch eine Werbekampagne konnten im Vorjahr 77 neue gewonnen werden. 2011 wurden 711 Kinder von der Stadt in Obsorge genommen, 140 kamen zu Pflegeeltern.

1 Kommentar:

  1. Anonym10:26

    Schafft alle Wohngemeinschaften der Stadt Wien ab, solche Vorfälle dürfen nicht mehr passieren, das Kinder von der leiblichen Mutter getrennt werden.

    Kein Recht auf der Welt kann das gutmachen, was hier zunichte gemacht wird.

    Ich rede nicht nur darüber - ich war selbst eine betroffene Mutter !!
    Und wenn sich alle Mütter zur Wehr setzen und diesen Pädagogen die Hölle heiß machen - dann schmeißen diese Pädagogen heut oder morgen das Handtuch.
    Es kann nicht sein, das eine Pädagogin über "MEIN KIND, mein eigenes Fleisch und Blut" bestimmen kann !!

    Ich würde heute nach 15 Jahren - ohne Druckmittel meiner Tochter - anders reagieren, vermutlich würde ich eingesperrt werden weil ich diese Sozialpädagogin dafür schlagen würde - windelweich - damit diese spürt, was sie unschuldigen Kindern antut !!
    Meine Tochter ist heute auf Drogen - erhalten von einem Mädchen, welches in der Wohngemeinschaft Wien - damals schon ein Drogenproblem hatte - und von diesem Mädchen bekam meine Tochter MARIHUANA zum rauchen !!!

    Jetzt frage ich Sie - ist das normal - in einer Wohngemeinschaft der Stadt Wien -
    wo war die erziehungsberechtigte Person.
    Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt und niemals eine Vollmacht unterschrieben - ich wurde ein 1/2 Jahr durch die Mangel genommen und sogar vor das Jugendgericht geschleppt und durfte obendrein noch monatlich 3.500,-- Schilling berappen für die Wohngemeinschaft.
    Heute breche ich mein Schweigen - ich habe nichts zu verlieren - und was meinen Ruf angeht, hat man mir diesen auch ruiniert.
    Ich schreie es in die Welt hinaus - Mütter lasst euch das nicht gefallen, wehrt euch.
    Die Kinder sind das wichtigste auf der Welt - und niemand, NIEMAND außer einer Mutter, egal ob Sie gut oder schlecht ist - NIEMAND gibt einer Pädagogin das Recht ein Kind wie ein Möbelstück zu behandeln und niemand außer einer Mutter kann mit ihrem Kind umgehen und kennt sein Kind besser als alle anderen auf der Welt.
    Kein Gesetz, kein Staat hat das Recht sich in die Erziehung der "leiblichen" Kinder einzumischen - diese Sozialpädagogen sind hartherzige, nicht liebende Frauen, die nicht nachvollziehen können, wie sehr eine Mutter und ihr Kind darunter leiden.
    Heute noch nach 15 Jahren - ich verfluche diese Sozialpädagogin, die mir das persönlich angetan hat - bis in die Hölle und ich wünsche ihr jede Träne die ich geweint habe - zurück - sie soll ihr eigenes Kind verlieren - damit Sie diesen Schmerz spürt, den Sie mir als Mutter zugefügt hat.
    Ich wünsche mir Gerechtigkeit - eine Wiedergutmachung gibt es nicht mehr.
    Ich hoffe jedoch, daß diese unmenschliche "BESTIE" - ich kann diese Frau nicht anders nennen, zur HÖLLE fährt und im Jenseits ihre Strafe bekommt.
    Diese Frau ist in meinen Augen eine Verbrecherin und wird es immer sein !!

    Dies von einer leidenden und zutiefst erschütternden Mutter - die mitansehen kann, wie ihre Tochter nun elendig zugrunde geht - mit Drogen - von mir hat sie
    das nicht bekommen, ich bin nicht drogensüchtig und nicht alkoholkrank.
    In der Wohngemeinschaft der Stadt Wien wurde diese Rebecca angehalten und hat meine Tochter zu Drogen gebracht - MARIHUANA - was mir heute, nach 15 Jahren eine Sozialpädagogin bestätigt hat !!

    Wenn das kein Verbrechen ist - dann weiß ich nicht mehr !!

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