2012/10/24

Familienrecht Umgangsrecht: Besuchsrecht mit dem Kind durch Übergabe bei der KITA



Bei zerstrittenen Eltern: Übergabe bei der KITA (unveröffentlichter Gerichtsbeschluss):

Bei Trennung und Scheidung wird vor Gericht oft über das Besuchsrecht gestritten: Wie oft darf der Elternteil, der nicht mehr bei den Kindern lebt, die gemeinsamen Kinder zu sich nehmen ? Früher reichte es schon, dass die Eltern nach Trennung sehr zerstritten waren, um das Besuchsrecht auszuschließen. Argument: Das Umgangrecht diene dann nicht dem Kindeswohl. Mittlerweile steht im Gesetz, dass der Umgang „in der Regel“ dem Kindeswohl dient. Das Besuchsrecht darf daher nur unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips eingeschränkt werden.


Im Familienrecht Besuchsrecht nur nach Beratung oder Mediation bei Jugendamt oder Kinderschutzbund

Im Familienrecht Besuchsrecht nur nach Beratung oder Mediation bei Jugendamt oder Kinderschutzbund ?

Aber keine „Regel“ ohne Ausnahme. Daher ist auch heute – 14 Jahre nach der Kindschaftsrechtsreform – diese Debatte keineswegs beendet: Soll das Kind nicht besser ´zur Ruhe kommen´ und von inneren Loyalitätskonflikten dadurch erlöst werden, dass es den Besuchselternteil eine zeitlang nicht sieht oder jedenfalls nur relativ selten ? Ist es trotz Hochstrittigkeit der Eltern dem Kindeswohl dienlich, wenn ein Gericht nun quasi „mit der Brechstange“ (jüngeres Zitat eines Familienrichters) einen Gerichtsbeschluss zum Besuchsrecht erlässt ? 

Ist nicht Voraussetzung, dass die Eltern zuvor einen Beratungsprozess bei Jugendamt oder Caritas durchlaufen; zunächst in Form von Einzelgesprächen, dann mittels Sechs-Augen-Gesprächen ? Und muss sich in Fällen, wo viel ´Porzellan zerschlagen´ wurde, es vielleicht sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern gekommen war, nicht noch zunächst eine Phase anschließen, in der kindbeschützende, begleitete Besuchskontakte unter Beobachtung des Kinderschutzbundes durchgeführt werden ?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal für jeden Einzelfall beantworten. Hatte das Kind vor der Trennung eine stabile Beziehung zum jetzigen Umgangselternteil ? Wie lange liegt der letzte Besuchskontakt zurück ? Erinnert es sich das Kind noch an gemeinsame schöne Erlebnisse? Möchte es den Elternteil (noch) sehen oder hat es Angst vor ihm ?
Auch wenn das Familiengericht einen vorläufigen Gerichtsbeschluss zum Besuchsrecht erlässt, sorgt dies in gewisser Weise erst einmal für „Ruhe“, da sich die Eltern hieran zu halten haben und schließt – entgegen der Ansicht des Kinderschutzbundes – keineswegs eine parallel stattfindende Beratung der Eltern mit dem Ziel, deren Kommunikation zu verbessern, aus.

Zu berücksichtigen ist stets, dass durch zu langen Kontaktabbruch das Kind dem Besuchselternteil völlig entfremdet werden kann. Je kleiner das Kind, um so schneller. Weil das Zeitempfinden bei jüngeren Kindern noch ein völlig anderes ist, als bei Erwachsenen. Das ist wissenschaftlich erwiesen und wird kaum noch bestritten. Auch anfängliches kindliches ´Fremdeln´ nach einer Kontaktunterbrechung ist kein Argument gegen das Besuchsrecht, da es häufig schnell überwunden werden kann – aber nur, solange der Entfremdungsprozess noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Umgangsvorbereitende Maßnahmen bei Jugendamt & Co. sollten daher vom Familiengericht nur dann als Voraussetzung für unbegleitete Besuchskontakte betrachtet werden, wenn dies unerlässlich ist. In der Praxis bewirken sie häufig einen unverhältnismäßig langen Eingriff in das Besuchsrecht von Kind und Elternteil, an dessen Ende der kinderpsychologische Sachverständige dann schließlich nur noch feststellen kann, dass das Kind – jedenfalls jetzt – nicht mehr will und ein Umgangsbeschluss dem Kindeswohl nicht mehr dienlich sei.

Lösung des Besuchsrecht: Übergabe des Kindes bei der KITA

Wie mit der Situation akut zerstrittener Eltern umgegangen werden kann, zeigt ein jüngst von uns erwirkter vorläufiger Gerichtsbeschluss zum Besuchsrecht: Das Kind hatte bei seiner Befragung dem Richter gesagt, dass es den Vater gern „mehr“ sehen würde. Um das Aufeinandertreffen der Eltern bei den Kindesübergaben und  Streitigkeiten im Beisein des Kindes zu vermeiden, schloss sich das Familiengericht unserer Argumentation an, dass das Kind vom Vater nicht sonntags abends zur Mutter, sondern erst montags morgen zur KITA gebracht werden solle. Die Mutter und deren Anwältin hatten sich gegen diese KITA-Lösung mit Händen und Füßen gesträubt. Sie argumentierten: Das Kind hätte häufig Unruhezustände nach Rückkehr von den Besuchswochenenden und müsse sich erst wieder zu hause akklimatisieren, bevor es dann am Montag morgen von ihr persönlich zur KITA gebracht werden müsse. 
Der Richter sah das Kind jedoch per se als durch die Trennungssituation belastet an, was seine innere Aufgewühltheit nach den Umgangskontakten erkläre. Den Obhutswechsel nach den Besuchskontakten müsse es ohnehin verkraften, denn es käme hier nicht in Betracht, das Besuchsrecht auszusetzen; das Kind könne also auch direkt vom Vater in die KITA gebracht werden. Zwingende Notwendigkeit für eine sonntagabendliche Rückkehr des Kindes in den Haushalt der Mutter sah das Gericht nicht. Vielmehr sah es die KITA-Lösung als probates Mittel an, ein Aufeinandertreffen der zerstrittenen Eltern im Beisein des Kindes zu vermeiden. Hierdurch könne bei momentaner Sachlage am meisten für das trennungsbelastete Kind ´getan´ werden. Wir meinen: Das sollte ´Schule machen´.


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