2012/04/18

Familiengericht - Ein Richter, der Geschichte schrieb

Von Elke Landschoof, 17.04.12, 12:03h

Heribert Schüller hat als Familienrichter am Amtsgericht in Bensberg mit Scheidungen, Unterhaltszahlungen und Sorgerecht zu tun – 6000 geschiedene Ehen gehen auf sein Konto, ebenso wie eine für das Familienrecht sehr wichtige Gesetzesänderung.

Bergisch Gladbach - Heribert Schüller ist glücklich verheiratet. Doch das will nichts heißen. „Ich bin derjenige in Bergisch Gladbach, der die meisten Ehen kaputtgemacht hat“, sagt er schmunzelnd. Seine Scheidungsrate liegt bei rund 200 im Jahr, insgesamt ist er für etwa 6000 aufgelöste Ehen verantwortlich. Kein Wunder, denn Schüller ist seit dem 1. Januar 1979 Familienrichter am Bensberger Amtsgericht. Damit hat der 63-Jährige alle Veränderungen des Familienrechts erlebt, das 1976 komplett reformiert und 1977 eingeführt wurde. Seitdem musste es häufig geändert werden, mehrmals auch nach Grundsatzurteilen des Bundesverfassungsgerichts. An einer dieser Gesetzesänderungen war Schüller maßgeblich beteiligt.

„Das war in den frühen 1980er Jahren“, erzählt der Familienrichter. Heute ist es selbstverständlich, dass bei Scheidungen das elterliche Sorgerecht bei beiden Elternteilen liegt. Das war ursprünglich anders: „Vor der Gesetzesänderung lag das Sorgerecht nach der Scheidung bei einem Elternteil“, so Schüller. Das entsprach seiner Rechtsauffassung nach nicht dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Familie. Deshalb legte er diese Regelung gemeinsam mit drei weiteren Richtern dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vor. „Wir haben furios gewonnen“, erinnert er sich.

Als Familienrichter ist Schüller mit allen Verfahren im Umfeld von Ehe und Familie betroffen. „Es geht um gescheiterte Ehen und Beziehungen, um Eltern und Kinder, aber auch um Kinder gegen Eltern, Unterhalt von Kindern und der Eheleute untereinander“, zählt der Jurist auf. Ein sehr umstrittenes Thema ist dabei das Umgangsrecht. „Der Vater will die Kinder sehen, die Mutter verweigert ihm das“, führt Schüller beispielhaft an. 2009 hat der Gesetzgeber dieses Rechtsgebiet neu formuliert, seitdem sollen solche Streitigkeiten schnell geregelt werden: Innerhalb eines Monats muss eine Anhörung stattfinden. Dabei ist auch immer ein Vertreter des Jugendamts. Sind die Kinder im Schulalter, befragt Schüller sie auch selbst. „Ich erlebe Eltern, die verbiestert und verbittert sind und sich nichts schenken“, so die Erfahrung des Familienrichters. „Die Kinder erlebe ich dabei oft als nett und sympathisch und vernünftiger als die Eltern.“

Auch gebe es immer Eheleute, die sich mit einem neuen Partner verwirklichen wollten, ohne Rücksicht auf die Kinder. „Da nehme ich kein Blatt vor den Mund“, so Schüller, der den Eindruck hat, dass in solchen Fällen die gesetzlichen Institutionen die einzigen sind, die es gut mit den Kindern meinen.
Wird einem Elternteil der Zugang zum Kind verweigert, kann ein Ordnungsgeld bis 25 000 Euro oder sechs Monate Haft erlassen werden. Schüller hat bisher einmal erlebt, wie eine Mutter mit ihrem Kind ins Ausland flüchtete.

Bei einem anderen Verfahren versuchte die Mutter dem Vater nicht nur den Umgang mit seinen Söhnen zu verweigern, sondern wiegelte zudem die Kinder gegen den Mann auf. „Ich habe dann entschieden, dass die Kinder zum Vater kommen, obwohl sie bei ihrer Mutter bleiben wollten“, erinnert sich Schüller. Er war sicher, dass sich die Kinder bei der Mutter nicht hätten entwickeln können. „Manchmal muss man mit dem Hammer drauf hauen“, ist der Jurist überzeugt.

Auch bei einem anderen Verfahren sprach der Richter dem Vater das Sorgerecht zu. „Dabei gab es Argumente dafür, das Kind bei der Mutter zu lassen“, erinnert sich Schüller. Doch die Frau verhielt sich merkwürdig und er ging der Sache nach. Dabei stellte er fest, dass die Frau ein Suchtproblem hatte. Das Kind wuchs nach der Entscheidung des Gerichts beim Vater auf. „Jahre später hab ich den Mann auf einer Karnevalssitzung getroffen“, erzählt der 63-Jährige. „Inzwischen ist er glücklicher Großvater und sagte mir, dass ich damals die richtige Entscheidung getroffen hätte.“

Dass er nach so vielen Jahren eine Rückmeldung bekommt, ist allerdings die Ausnahme. „Wenn die Entscheidung gefallen ist, sehe ich die Leute nicht wieder“, so Schüller. „Allerdings werde ich von vielen Leuten gegrüßt und weiß oft gar nicht mehr, wer das ist.“ Ein Verfahren ist ihm allerdings in Erinnerung geblieben, weil er sich darüber furchtbar aufgeregt hatte. Es ging um ein Paar, das ein Kind adoptieren wollte. „Als das Baby da war, ging es dem Mann auf die Nerven und er stellte seine Frau vor die Wahl: Entweder das Kind oder ich“, erinnert er sich. Schließlich habe die Frau das Kind allein adoptiert und der Mann wurde von Schüller zur Unterhaltszahlung verurteilt. „Weil er sich mit für die Adoption entschieden hatte“, begründet der seine Entscheidung. Durch seine Arbeit erlebt der Familienrichter, wie sich die Gesellschaft und die Einstellungen zu Ehe und Familie verändern. „Patchworkfamilien sind eine Zeiterscheinung. Wenn’s nicht funktioniert, geht man auseinander“, so sein Eindruck. Früher habe er zudem mehr mit Unterhaltssachen zu tun gehabt. „Heutzutage sind die Unterhaltszahlungen oft zeitlich begrenzt. Und der Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist verpflichtet, im Rahmen der Möglichkeiten zu arbeiten“, so Schüller.

Zu dieser Veränderung hat seines Erachtens die Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen. „Das hat der Rechtsentwicklung geholfen, weil viele Politiker mit anderem sozialen Hintergrund dazu gekommen sind“, ist Heribert Schüller überzeugt. „Denn in der alten Bundesrepublik bestand noch immer ein Hausfrauen- und Mutterideal.“




 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen