2013/11/10

Berlin schafft als erstes Bundesland eine Ombudsstelle in der Jugendhilfe




Berlin (MOZ) Der Skandal um die Kinder- und Jugendheime der Haasenburg in Brandenburg haben unter anderem auch schwere Versäumnisse der staatlichen Heimaufsicht zutage gefördert. Berlin will nun als erstes Bundesland eine unabhängige Beschwerdestelle für Heimkinder einrichten.

Misshandlungen durch überlastete Pfleger, Missachtung von Grundrechten, körperliche Zwangsmaßnahmen - über die Missstände in den drei Haasenburg-Heimen wurde über Jahre hinweggesehen. Die Behörden in Brandenburg reagierten erst, als die Heimkinder mit ihren Berichten an die Presse gingen. Doch wohin können sich die Kinder und Jugendlichen wenden, wenn sie sich von der Jugendhilfe schlecht behandelt fühlen?
Berlin will nun im kommenden Jahr als erstes Bundesland eine unabhängige Ombudsstelle aufbauen. "Zielgruppe sind grundsätzlich alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen, also nicht nur allein Heimkinder", erklärt Ilja Koschembar, Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Die Ausschreibung für die neue Stelle sei gerade fertiggestellt worden. Sie soll Anfang des Jahres besetzt werden.

An die Ombudsstelle könnten sich Kinder und Jugendliche nicht nur bei schweren Fällen wie Missbrauch oder Misshandlung wenden, sondern auch wenn sie sich zum Beispiel im Heim gemobbt fühlen oder der Kontakt zu den Eltern nicht in dem Maße gewährleistet werde, wie sich es die Kinder wünschen, erklärt Winfried Flemming, Referent bei der Bildungsverwaltung in der Abteilung Jugend und Familie. Es sei generell sinnvoll, wenn bei Konflikten eine unparteiische Person die Probleme mit etwas Abstand betrachten und zwischen den Jugendlichen und Erziehern sowie Behörden gegebenenfalls auch vermitteln könne.
Bestehende Regelverfahren der Jugendhilfe und Beschwerdeverfahren sollen durch die neue Ombudsfrau oder den Ombudsmann allerdings nicht außer Kraft gesetzt werden. Zusätzlich können aber Minderjährige dort um Hilfe bitten, die mit ihren Eltern in betreuten Wohnformen wie zum Beispiel in Mutter-Kind-Heimen leben.
Bisher konnten sich Kinder bei Konflikten in Heimen oder Pflegefamilien höchstens an den unabhängigen Jugendnotruf wenden, der 2007 vom Kinderschutzbund in Berlin eingerichtet wurde. Doch dieser habe nur bedingt Zugriffsmöglichkeiten und könne zum Beispiel bei ernsthaften Problemen von den Heimbetreibern keine unverzügliche Stellungnahme anfordern, erklärt Ilja Koschembar. "Die Ombudsperson soll dagegen mit der Macht ausgestattet werden, kritisch von oben draufzuschauen und bei Missständen entsprechende Hebel in Bewegung zu setzen. Das können auch strukturelle Probleme in der Jugendhilfe sein", so der Verwaltungssprecher.

Die Kommission, welche die Missstände in den drei Brandenburger Haasenburg-Heimen untersuchte, spricht von einem "Versagen der Kontrollgremien" und fordert in ihrem Abschlussbericht den Aufbau einer unabhängigen Kontrollagentur zur Überprüfung der Qualität der Arbeit sowie der dazugehörigen Verwaltungseinrichtungen der Hilfe zur Erziehung, in Jugendämtern sowie in den zuständigen Landesbehörden. Der aktuelle Skandal ist aber nicht der Grund, warum Berlin jetzt den Modellversuch startet.
Die Ombudsstelle ist vielmehr eine Konsequenz des Runden Tisches zur Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren und zum sexuellen Kindesmissbrauch. "Aufarbeitung ist nicht nur Vergangenheitsbewältigung, sondern bringt auch Anstöße für die Zukunft", erklärte Bildungs-Staatssekretärin Sigrid Klebba jüngst auf einer Tagung zur DDR-Heimerziehung in Berlin-Zehlendorf. Durch die Beschäftigung mit den Schicksalen ehemaliger Heimkinder, die oftmals Jahrzehnte zurückliegen, habe die Frage der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und deren Möglichkeiten zur Beschwerde an Aktualität gewonnen.

Als Konsequenz aus dieser Debatte sollen die Mitspracherechte junger Menschen und ihrer Familien bei der Gestaltung von Erziehungshilfen künftig gestärkt werden. Die Erprobung einer unabhängigen Ombudsstelle in der Jugendhilfe soll dazu beitragen. "Wir erhoffen uns von dem Pilotprojekt auch eine Strahlwirkung auf andere Bundesländer", sagt Koschembar.

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