2013/11/21

Ohne Ausbildung in den Erziehungsheimen gewütet - Unvorstellbare Zustände in Erziehungsheimen: Ein Heimleiter war sogar elffach vorbestraft. Mitarbeiter von Nowak-Vogl brechen ihr Schweigen.








Laut Expertenbericht wurden Kinder in der Kinderbeobachtungsstation auf einen Objektstatus reduziert und misshandelt.

© Begsteiger Laut Expertenbericht wurden Kinder in der Kinderbeobachtungsstation auf einen Objektstatus reduziert und misshandelt. 

Ohne Ausbildung in den Erziehungsheimen gewütet -  Unvorstellbare Zustände in Erziehungsheimen: Ein Heimleiter war sogar elffach vorbestraft. Mitarbeiter von Nowak-Vogl brechen ihr Schweigen.

Von Peter Nindler

Innsbruck – Die in den vergangenen Tagen präsentierten Expertenberichte zum Landeserziehungsheim St. Martin in Schwaz und über die Kinderbeobachtungsstation (Kinderpsychiatrie) der Klinik Innsbruck unter Maria Nowak-Vogl dürften wohl den Anstoß zu weiteren Forschungen über die Zustände in den Heimen des Landes und von kirchlichen Institutionen geben. Der Zeithistoriker Horst Schreiber rückt dabei das Mädchenheim Martinsbühel der Benediktinerinnen bei Zirl in den Mittelpunkt. „Hier gab es extreme Kinderarbeit, noch viel schlimmer als in St. Martin.“ Viele Mädchen erlebten auch dort die Hölle.

Das St. Martin für die Burschen hieß Kleinvolderberg, das ebenfalls 1990 geschlossen wurde. Wie ein roter Faden zieht sich die mangelnde Ausbildung durch die Tiroler Fürsorgeerziehung der Nachkriegszeit. Stellvertretend dafür steht Kleinvolderberg: „In den Anfangsjahren fragte einmal sogar die Sicherheitsdirektion beim Land nach, weil ein Heimleiter elf Vorstrafen aufwies“, berichtet Horst Schreiber. Trotzdem hat ihn das Land angestellt.
Doch die schlechte Ausbildung lässt sich zeitlich nicht nur auf die 1950er- oder 1960er-Jahre beschränken. „Die stichprobenartig vorgenommene Aktenanalyse zeigt, dass selbst in den 1980er-Jahren noch ErzieherInnen ohne pädagogische Ausbildung in die Landeserziehungsanstalten aufgenommen wurden und dies, obwohl in Österreich seit 1960 eine fachspezifische Professionalisierungsmöglichkeit bestanden hätte“, heißt es in der „Geschichte der Tiroler und Vorarlberger Erziehungsheime und Fürsorgeerziehungsregime der 2. Republik“ von den Erziehungswissenschafterinnen Michaela Ralser, Anneliese Bechter und Flavia Guerrini.

Nach der Expertise über die unmenschlichen Behandlungsmethoden der Kinderpsychiaterin Maria Nowak-Vogl brechen jetzt ehemalige Mitarbeiter der Kinderbeobachtungsstation ihr Schweigen. „Sie hat Kindern, die keine Ruhe gegeben haben, mit dem Schlüsselbund die Finger wund geschlagen“, erzählt eine Krankenschwester von damals. Ein Bub sei nach einem Strafbad im eiskalten Wasser bewusstlos geworden und danach verstorben. „Es hat sich herausgestellt, dass er einen Gehirntumor hatte und das die Ursache für seine Auffälligkeiten war.“ Warum haben die Mitarbeiter so lange geschwiegen? „Weil wir alle Angst hatten, gegen Nowak-Vogl aufzumucken“, erklärt die heute 70-Jährige.
Die Kinder wurden nicht nur misshandelt, sondern auch lückenlos überwacht. Auch Nowak-Vogls Schwester, die Lehrerin auf der Station war, betätigte sich dabei.

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