2012/11/15

SOS-Kinderdorf: Weiterer Vorwurf von Kindesmisshandlung

 SOS-Kinderdorf Missbrauch

Ein weiterer Misshandlungsvorwurf in einem SOS-Kinderdorf. Nachdem INHR schon mehrfach von fragwürdigen Zuständen und offensichtlich mangelhafter Kontrolle in Kinderheimen, Prügel in SOS-Kinderdorf Pinkafeld, Vergewaltigung in einem SOS-Kinderdorf in Oberösterreich berichtet hat, ist nun der nächste Skandal in einem Kinderheim in die Öffentlichkeit geraten. Die Jugendwohlfahrt ist offensichtlich vollkommen überfordert und kommt den Kontrollaufgaben nicht mehr nach.

 
Die Vorwürfe einer 13-Jährigen gegen das SOS-Kinderdorf Altmünster bei Gmunden wiegen schwer. Das Mädchen spricht in den OÖN von Schlägen, Essensentzug und Zimmerarrest. Auch ihre drei jüngeren Geschwister, die ebenfalls seit zwei Jahren in dem Heim leben, sollen diesen Bestrafungen ausgesetzt gewesen sein. „Mein Bruder ist im Herbst einmal bei strömendem Regen 20 Minuten vor die Tür gestellt worden“, vertraute die 13-Jährige ihrem Linzer Anwalt Roland Gabl an, der sich um den Fall angenommen hat. Ein anderer Bruder soll mehrmals geschlagen worden sein, bis er blaue Flecken bekam. Und wenn man nicht brav war, habe es am Abend nichts zu essen gegeben.

Solche Vorwürfe gibt es nicht zum ersten Mal und sind diese Missstände bei SOS-Kinderdorf bekannt. Bereits 2003 sind schwere Vorwürfe gegen SOS-Kinderdorf Pinkafeld in den Medien berichtet worden. Damals soll ein 53-jähriger "Pädagoge" auf ein Kind eingetreten haben und diesen an den Haaren hinter sich hergeschleift haben. Der Vorsitzende von SOS Kinderdorf Burgenland, Richard Hofer, sah den Vorfall als "falsche Belehrung" und verwies damals auf die Veranschaulichung der Situation: "Der Pädagoge wollte veranschaulichen wie das ist, wenn ein Stärkerer einen Schwächeren unterdrückt". Der Bub hätte zuvor mit einem Mädchen gerauft und sollte nun vom Dorfleiter seine Belehrung bekommen.

Diese Übergriffe stellen keinesfalls Einzelfälle dar und werden von der Jugendwohlfahrt offensichtlich nicht sanktioniert. Dort verweist man auf die prekäre Situation in der Jugendwohlfahrt und dass man von diesen privaten Vereinen abhängig ist. Derzeit sind etwa 12.000 Kinder in solchen Einrichtungen und auch bei Pflegeeltern untergebracht und man würde noch viel mehr Plätze benötigen. SOS-Kinderdorf kassiert von der Jugendwohlfahrt - also dem Steuerzahler - übrigens für jedes Kind etwa 3000 Euro pro Monat, wobei in diesem Betrag keine Therapiekosten enthalten sind.

Das Mädchen, das derzeit in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg untergebracht ist, und ein Bruder waren 2009 vom damaligen Freund der Mutter sexuell missbraucht worden. Der Mann wurde daraufhin zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die er nun absitzt. Weil die heute 32-jährige Mutter nach Bekanntwerden des Missbrauchs einen Zusammenbruch erlitt und ihr das Sorgerecht entzogen wurde, kamen die Kinder ins Heim. Die Mutter hat erst vor Kurzem von den angeblichen Vorfällen in Altmünster erfahren, nachdem das Besuchsrecht gelockert wurde und sie mit ihren Kindern erstmals außerhalb des Heimes sprechen konnte. Von SOS-Kinderdorf und auch anderen Heimbetreibern werden Kontakte mit der Außenwelt möglichst vermieden, Handys werden den Kindern abgenommen und Telefonate abgehört. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass es teilweise sogar Jahre dauern kann, bis solche Vorwürfe an die Öffentlichkeit kommen und angezeigt werden können.
Die Mutter des 13-Jährigen Mädchens hat natürlich sofort Anzeige erstattet und Anwalt Gabl kontaktiert.

Die Heimleitung des SOS-Kinderdorfes dementiert die Vorwürfe natürlich, wie auch in anderen Fällen. Psychotherapeutin Annemarie Lammer, seit 1995 im betroffenen SOS-Kinderdorf, behauptet sogar, dass sich das Mädchen in einer Ausnahmesituation befinde und ihre eigene Realität habe. „Anders kann ich mir die Anschuldigungen wirklich nicht erklären.“

Bleibt nur zu hoffen, dass die Kinder den Aufenthalt in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg überleben und es zu einer gerichtlichen Klärung des Falles kommen kann. Ein wichtiger Punkt wird noch die Bestellung eines Gutachters werden, vor allem weil sehr viele Gutachter ein Naheverhältnis zu den freien Trägern der Jugendwohlfahrt haben und so eine unabhängige Begutachtung fraglich erscheint.


Weitere Berichte:
http://www.inhr.net/artikel/skandal-gewalt-im-sos-kinderdorf
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