In einem Brief an die Kreistagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann (CDU) weist die Landrätin zudem den Vorwurf einer Zensur zurück.
Das komplette Gutachten liegt jetzt einigen Zeitungen vor. Auch das Schleswig-Holstein Magazin hatte Einsicht in das Dokument. Die geschwärzten Stellen belegen offenbar, dass es schon vor Jahren Hinweise darauf gab, dass die Kinder der Familie verwahrlost waren und von den Eltern geschlagen wurden. Und das, obwohl das Jugendamt die Familie bereits betreute. Im Juni hatte die Polizei zufällig einen dreijährigen Jungen in einem verdreckten Kellerloch gefunden.
"Kellerkind": Kritik an Landrätin
Kritik gegen die Landrätin Jutta Hartwieg wird laut. Im Fall des sogenannten Bad Segeberger "Kellerkindes" wurden belastende Stellen im Gutachten geschwärzt.Hartwieg: "Schutz der Familie"
Hartwieg reagierte am Montag "entsetzt" darüber, dass das Gutachten an die Presse gelangt war. Zwar habe die Öffentlichkeit ein Recht auf Information, doch dürften dadurch nicht die Interessen Einzelner beeinträchtigt werden. Die Kreisverwaltung müsse zudem auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben achten, teilte sie in einer Presseerklärung mit. "Wir müssen Menschen schützen, denen wir helfen wollen. Den Vorwurf einer Zensur weisen wir entschieden zurück", hieß es in ihrer schriftlichen Stellungnahme.Scharfe Kritik an die Landrätin
Verschiedene Medien berichteten über den Inhalt geschwärzter und weggelassener Passagen aus dem Gutachten eines Kinderschutzexperten. Rathje-Hoffmann fordert indes für sich und die anderen Kreistagsabgeordneten eine komplette Einsicht. Sie fühlt sich nicht ausreichend über den Fall informiert. "Ich habe das aus der Zeitung erfahren und bin dann schon sehr misstrauisch geworden. Und das ist für mich noch mehr Grund, vehementer zu fordern, dass ich als Kreistagsabgeordnete dieses Gutachten komplett zur Einsicht bekomme", sagte die CDU-Politikerin. Sie übt deutliche Kritik an der Reaktion der Landrätin auf ihr Schreiben.Darin hatte Rathje-Hoffmann nach eigenen Worten erklärt, dass sie das unzensierte Gutachten sehen wolle. Diese Formulierung habe Hartwieg in ihrer Antwort beanstandet. Rathje-Hoffmann findet das ungeheuerlich: "Zensur ist etwas, wenn etwas wissentlich geschwärzt wird oder Teile und Passagen vorenthalten werden und in sofern halte ich meinen Vorwurf der Zensur aufrecht. Ich glaube auch, dass mich die Landrätin damit wohl einschüchtern wollte, dass ich dann das Wort Zensur nicht mehr verwende."
Forderung nach personellen Konsequenzen
Kritik kommt auch von den Grünen im Segeberger Kreistag. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jürgen Kaldewey forderte personelle Konsequenzen an der Spitze des Kreisjugendamtes. Dort habe man versäumt einzugreifen. Kaldewey bemängelte eine fehlende Kommunikation mit den Kreispolitikern in dem Fall. Die FDP wolle nun prüfen lassen, ob Landrätin Hartwieg zuviel Passagen in dem umstrittenen Gutachten schwärzen ließ. Der Vorsitzende des zuständigen Hauptausschusses, Henning Wulf (CDU), äußerte sich ebenfalls verärgert: "Ich werde nicht aufhören, dafür zu kämpfen, dass ich mein Mandat und seine Aufgaben wahrnehmen kann. Wenn mir das verwehrt wird, dann muss der Bürger entscheiden, ob die richtige Person an der richtigen Stelle sitzt."Eine ehemals in Segeberg niedergelassene Hausärztin erhebt unterdessen Vorwürfe gegen das Segeberger Jugendamt. Beatrice Brockmann hatte die betreffende Familie nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr behandelt und will schon damals das Jugendamt über Auffälligkeiten in der Familie informiert haben. Wie auch in anderen Fällen, in denen sie das Segeberger Jugendamt eingeschaltet hatte, passierte nach ihrem Empfinden zu wenig. "Ich persönlich hatte den Eindruck, es ist nicht unbedingt gewünscht, dass man zusammenarbeitet oder kooperiert", kritisierte Brockmann.
Kinder sollen geschlagen worden sein
Das ungeschwärzte Gutachten, das mehreren Zeitungen vorliegt, zeichnet anscheinend ein düsteres Bild der Familie. So soll bei den ersten Kindern der Familie schon im Juli 2005 Anzeichen für eine Verwahrlosung gegeben haben. Außerdem sollen noch im selben Jahr Nachbarn gesehen haben, wie die älteste Tochter körperlicher Gewalt der Mutter und der Großmutter ausgesetzt war. In dem Gutachten sei weiter zu lesen, dass die Kinder auch noch Jahre später von ihren Eltern und Großeltern bedroht und geschlagen worden seien.Gerichtsurteile geschwärzt?
Auch relevante Gerichtsentscheidungen sollen geschwärzt worden sein. Dazu gehört den Berichten zufolge ein Urteil des Oberlandesgerichtes aus dem Jahr 2010, welches die Fürsorge für die bis dahin fünf Kinder der Familie dem Jugendamt zugesprochen hatte. Damit hätten die Kinder aus der Familie geholt werden können, was allerdings nicht geschah. Inzwischen leben alle Kinder in sozialen Einrichtungen oder bei Pflegefamilien.Aktuelle Kommentare
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen