2012/04/01

Die dürftigen Lehren aus dem Fall Cain Der Mordprozess um den Tod des Buben wurde eiligst erledigt, die Reform der Jugendwohlfahrt geht schleppend.






 

Mahnwache: Der Fall sorgte nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich für Aufregung. Doch werden die nötigen Konsequenzen gezogen?  

 


Der Mordprozess um den Tod des dreijährigen Cain wurde am Freitag im Landesgericht Feldkirch nur so heruntergespult, ohne sich noch mit offenen Fragen aufzuhalten. Zum Beispiel, was die Mutter des Buben gewusst hat, oder ob sie womöglich an den Misshandlungen beteiligt war. Ihr ehemaliger Lebensgefährte wurde nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft plus Einweisung in eine Anstalt verurteilt.

Und die Lehren aus dem "Fall Cain"?

In den Jugendämtern wurde das Personal aufgestockt. Die Mitarbeiter bekommen mehr Geld. Hausbesuche zur Abklärung der Gefährdung von Kindern unter sechs Jahren müssen von zwei Sozialarbeitern (Vier-Augen-Prinzip) durchgeführt werden. In Verdachtsfällen tauschen Jugendwohlfahrts- und Exekutivbehörden sofort ihre Informationen aus. Und schon auf den Säuglingsstationen werden überforderte Eltern herausgefiltert, denen man Hilfestellung gibt.

Das alles gilt – nur für Vorarlberg, wo der dreijährige Cain vor über einem Jahr mit einem Besenstiel erschlagen wurde. Gar nicht oder nur in abgeschwächter Form finden sich diese Punkte im Entwurf des Familienministeriums für ein gesamtösterreichisches Kinder- und Jugendhilfegesetz, das gerade debattiert wird und mit 1. Juli in Kraft treten soll.

Der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch war Mitglied einer Expertenkommission, die den "Fall Cain" analysiert hat. Das "abgestimmte Vorgehen" der Behörden, an dem es bisher mangelte, ist ihm besonders wichtig. Das Jugendamt Bregenz hatte vor dem Tod des Buben zwar Kontakt zu dessen Mutter und ihrem damaligen Freund, wusste mangels Vernetzung mit Polizei und Justiz allerdings nichts von den einschlägigen Vorstrafen des 27-Jährigen.

Wenigstens diese Empfehlung der Expertenkommission wird bundesweit umgesetzt: Die Jugendämter dürfen künftig bei begründetem Verdacht auf Gewalt in einem Haushalt mit Kindern ins Strafregister der Betreuungspersonen schauen.

Das in Vorarlberg verpflichtende Vier-Augen-Prinzip bei der Einschätzung einer Kindesgefährdung hat im Gesetzesentwurf nur mit der Einschränkung "erforderlichenfalls" Eingang gefunden. Die Grünen befürchten, dass diese Kann-Bestimmung mangels ausreichendem Personal in den Jugendämtern eingespart wird.
SOS-Kinderdorf kritisiert, dass Flüchtlingskinder, Opfer von Kinderhandel sowie Heimkinder im neuen Gesetz ausgespart bleiben und fordert Erziehungshilfen als kostenlose Serviceleistung wie den Zahnarzt-Besuch. Im Gesetzesentwurf steht jedoch, dass für die Inanspruchnahme Sozialer Dienste zur Bewältigung des Familienlebens und zur Förderung der Erziehung Entgelte eingehoben werden können.

Kein Verfahren

Straf- oder disziplinarrechtliche Folgen hatte der Tod des kleinen Cain für Mitarbeiter des Jugendamtes nicht. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hat die Ermittlungen bald eingestellt, Disziplinarverfahren gab es gar keines. Die laut Kinderanwalt Rauch bisher "unterbelichtete" Prävention wurde mit dem Projekt "Frühe Hilfe" ausgebaut, das Nachahmer sucht: Man hält gezielt Ausschau nach überforderten Eltern oder allein erziehenden Müttern von Kindern zwischen Geburt und 2. Lebensjahr und bietet ihnen Schulungen an. "Bevor noch etwas passiert, wie zum Beispiel ein Schütteltrauma", sagt Rauch.


Kurier 31.03.2012 

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