2012/04/01

Familienministerium Wie Kristina Schröder die Bedürfnisse der Familien missachtet

Familienministerium Wie Kristina Schröder die Bedürfnisse der Familien missachtet

28.03.2012
Von Corinna Nohn
Betreuungsgeld und Ehegattensplitting laufen den Zielen des Familienministeriums zuwider - das zeigen diverse Studien. Doch Ministerin Kristina Schröder zieht es vor, diese zu ignorieren. Auch eine Analyse zur Kinderbetreuung will sie erst nach der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes präsentieren. 


Für kaum ein Ministerium sind die Bedürfnisse der Menschen so wichtig wie für das Familienministerium. Den Finanzminister zum Beispiel schert es für gewöhnlich nicht, ob die Bürger Steuern zahlen möchten oder nicht. Aber die Familienministerin interessiert sich nach eigenen Angaben sehr wohl für die Wünsche von Frauen, Vätern, Kindern und Senioren. Mit Betonung auf "nach eigenen Angaben". Denn vieles spricht dafür, dass sie deren Bedürfnisse ignoriert - indem sie Studien, die Probleme und Mängel beleuchten, unter den Tisch fallen lässt.


Bundestag
Ignoriert Familienministerin Schröder unliebsame Studien? (© dapd)
 
Gerade arbeitet das Familienministerium an einem Gesetzentwurf für das als "Herdprämie" und "Heimchenbonus"  verschriene Betreuungsgeld. Klar ist bislang nur, dass von August 2013 an monatlich 100 Euro, später 150 Euro fließen sollen - und  zwar an Eltern, die ihre einjährigen Kinder nicht in die Kita schicken, obwohl sie dann einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben.

Bei der Arbeit könnten Erkenntnisse über "Wirkungsweise und Effizienz" der bisherigen Förderungsbemühungen bei der Kinderbetreuung hilfreich sein. Ganz sicher könnten sie die ohnehin leidenschaftlich geführte Debatte über das umstrittene Betreuungsgeld bereichern. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der SPD geht allerdings nun hervor: Entsprechende Erkenntnisse liegen zwar vor, werden aber erst Ende 2013 publik gemacht. Dann nämlich soll die "Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen" veröffentlicht werden.

Das ist allerdings reichlich spät: Ende 2013 wird sich das Tableau der familienpolitischen Leistungen erheblich verändert haben, schließlich kommen im August 2013 sowohl der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz als auch das Betreuungsgeld. Ende 2013 ist außerdem die Legislaturperiode vorbei - und somit die Möglichkeit für Familienministerin Kristina Schröder, die Studie zu nutzen.

Die Analyse, wie 13 zentrale von insgesamt knapp 160 ehe- und familienbezogenen Leistungen zusammenwirken, läuft seit 2009; es geht zum Beispiel um das Elterngeld, Kindergeld und Ehegattensplitting. Denn die tatsächlichen und teils konträren Effekte dieser Leistungen selbst dem Familienministerium unbekannt. Die Erforschung kostet laut Angaben der SPD in dieser Wahlperiode 30 Millionen Euro; das Familienministerium weist für die Jahre 2009 bis 2011 knapp acht Millionen aus, kann aber zu den Kosten insgesamt keine abschließenden Angaben machen.

Einige Ergebnisse wären durchaus schon jetzt bereit zur Veröffentlichung: Das für das Thema Betreuungsgeld entscheidende Modul "Kinderbetreuung"  zum Beispiel wurde bereits 2011 abgeschlossen, dem Bundestag sollen Kurzberichte zur Verfügung gestellt werden. Es behandelt unter anderem die Frage, inwiefern sich die öffentlich geförderte Kinderbetreuung auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auswirkt.

Will Schröder unliebsame Diskussionen verhindern?

Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, die die Anfrage federführend initiiert hat, pocht aber auf die Veröffentlichung der gesamten Ergebnisse: "Es kann nicht sein, dass solche wissenschaftliche Untersuchungen in der Schublade bleiben." Sie wundere sich über "diese Heimlichtuerei" und glaubt,  Familienministerin Kristina Schröder wolle die Diskussion über nicht genehme Erkenntnisse der Wissenschaftler verhindern.

Tatsächlich fällt auf: Das Familienministerium, das sich explizit an den Bedürfnissen von Frauen, Vätern oder Kindern orientieren will, präsentiert zwar gern eigens in Auftrag gegebene und finanzierte Studien, die diese Bedürfnisse erforschen - aber kritische Ergebnisse werden oft nicht weiter diskutiert oder Empfehlungen der beauftragten Wissenschaftler ignoriert.

Zum Beispiel meidet Kristina Schröder die Diskussion über das Ehegattensplitting. Dass dieses Steuermodell nachweislich vielen verheirateten Frauen Anreize gibt, nicht zu arbeiten, erörtert der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Ebenfalls zeigt der Bericht, dass freiwillige Verpflichtungen der Wirtschaft, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, nicht viel gebracht haben - Schröder klammert sich dennoch an die Flexi-Quote.

Ebenso spielt sie den krassen Personalmangel in der Kinderbetreuung herunter - obwohl das überwiegend vom Bund finanzierte Deutsche Jugendinstitut prognostiziert hat, dass im August 2013 mindestens 20.000 Erzieher und 14.000 Tagesmütter fehlen werden. Schröder hingegen verweist lediglich auf Initiativen wie "Männer in Kitas" oder "Profis für die Kita", die vielleicht ein paar Quereinsteiger in den Beruf locken, aber den Fachkräftemangel nicht beheben können.

Ein weiteres Beispiel: Das Familienministerin ignoriert alle wissenschaftlichen Analysen, wonach das geplante Betreuungsgeld den eigenen Zielen zuwiderläuft. So wird es etwa vor allem für ärmere Familien einen Anreiz darstellen, ihre Kinder zu Hause zu lassen, anstatt sie in die Kita zu geben - dabei hätten gerade Kinder aus bildungsfernen Familien bereits vor dem Kindergarten einen besonders hohen Förderbedarf. Die Maßnahme konterkariert auch das Ziel, dass möglichst viele Frauen arbeiten sollten, um zum Beispiel Altersarmut zu vermeiden.

Diese Fehlwirkungen würden vielleicht noch deutlicher, wenn die vorhandenen Ergebnisse der Analyse bisheriger Betreuungsleistungen bekannt wären. Aber die gibt es ja erst Ende 2013 - siehe oben.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Analyse der 152 ehe- und familienbezogenen Leistungen laufe seit 2009. Tatsächlich geht es darum, wie 13 zentrale von knapp 160 ehe- und familienbezogenen Leistungen zusammenwirken. Der Fehler ist auf eine unklare Antwort des Familienministeriums auf eine SZ-Anfrage zurückzuführen. Wir haben die Passage im Text entsprechend korrigiert.

Süddeutsche

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