Kellnern gehen statt Schule, Hunde hüten statt Therapie. Seine Auslandsmaßnahme beschreibt das ehemalige Heimkind Jens Espe als "Katastrophe". Das Bochumer Jugendamt hatte ihn als 14-Jährigen über den Jugendhilfeträger "Life" in die Türkei geschickt.
- Bild 1 vergrößern Jens Espe wurde durch WDR Berichte über Auslandsmaßnahmen wachgerüttelt
Unterkunft in einer fensterlosen Hütte
Wachgerüttelt wurde er durch einen WDR Bericht über das ehemalige Heimkind "Paul". Der 11-jährige "Paul" war 2014 ebenfalls im Rahmen einer "individualpädagogischen Einzelbetreuung" im Ausland – untergebracht bei einem Handwerker auf einem heruntergekommenen Bauernhof. Verantwortlich für die Maßnahme war derselbe Jugendhilfeträger: Die Firma "Life" aus Bochum. Pauls Schicksal erinnert Jens sein eigenes. „Ich war in einer Hütte untergebracht - eine umgebaute Scheune, ohne Fenster, ohne Türen.“ Im Winter habe er alles selbst abgedichtet.
Von pädagogischer Begleitung keine Spur
Von pädagogischer Begleitung durch seine Betreuerin habe überhaupt keine Rede sein können. „Sie hat sich mehr um sich selber gekümmert. Nach einiger Zeit war ich mir völlig selbst überlassen.“ Richtige Gespräche haben nicht stattgefunden: „Sie hat sich manches angehört, aber das war’s auch schon.“ Dafür habe er sie beim Umbau ihres Hauses unterstützen müssen oder auf die Hunde aufpassen müssen, wenn sie weg war.
Über ein Jahr ohne Schule
Besonders eines ärgert Jens: „Schule hatte ich überhaupt nicht. Ich hab mehr Langeweile gehabt als alles andere.“ Ärgerlich vor allem, weil genau in der Schule seine Probleme lagen. „Diese Probleme hätte ich in Deutschland lösen müssen.“ Zudem habe seine Betreuerin Alkoholprobleme gehabt. „Nach einem Jahr bin ich einfach abgehauen. Ich hab es nicht mehr ausgehalten.“ Monatelang habe er sich mit Jobs in Cafés durchgeschlagen – bis er sich in der Botschaft in Ankara gemeldet habe.
- Stadt Bochum arbeitet mit "Life" zusammen
Staatsanwaltschaft ermittelt
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- Gegen "Life"-Chef Gerd Lichtenberger wird ermittelt. Es besteht der Anfangsverdacht des Betruges
Gerd Lichtenberger reagiert überrascht, dass wegen möglichen Betruges gegen ihn ermittelt wird. Äußern will er sich dazu nicht. Sein ehemaliger "Schützling" Jens Espe hat hingegen lange gebraucht um mit den Folgen des Auslandsaufenthaltes in der Türkei fertig zu werden. „Im Endeffekt war hinterher alles genauso, nur noch einen Tacken schlimmer. Ich habe keinen Schulabschluss geschafft.“
Heute, 15 Jahre nach dem Auslandsaufenthalt, versucht Jens etwas für seine Zukunft zu tun, sich selbstständig machen. Die Zeit als "Heimkind", verschickt in die Türkei, hat er endlich hinter sich gelassen.
Stand: 28.08.2015, 15.55 Uhr
http://www1.wdr.de/studio/essen/themadestages/vorwuerfe-gegen-jugendhilfetraeger-life-100.html
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