2012/08/12

Neues Gesetz - Wenn Papa sich nicht sorgen darf

Vater und Sohn: Umstrittene Sorgerechtsreform Zur Großansicht
dapd
Vater und Sohn: Umstrittene Sorgerechtsreform


Der Bundestag wird nach der Sommerpause über die Reform des Sorgerechts abstimmen. Es verspricht Vätern von unehelichen Kindern, auch gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht bekommen zu können. Doch Vätervereine und Juristen halten die Macht der Mütter für ungebrochen.
Berlin - So hatte sich Jonas Förster das nicht vorgestellt. Sohn Alexander war ein Wunschkind - von beiden, von Mutter und Vater. Und nun ist er in ständige Kämpfe verstrickt. Jonas Förster, der seinen richtigen Namen hier nicht genannt haben möchte, weil noch Verfahren laufen, muss seinen Wunsch nach Kontakt zu seinem Sohn immer wieder vor Gericht erstreiten. Alexander ist sieben. Seit fünf Jahren befassen sich Juristen mit ihm und seinen Eltern. Und es ist längst nicht vorbei.

Die Beziehung der Eltern zerbricht, als der Junge 18 Monate alt ist. Die Mutter geht mit dem Kleinkind für einen neuen Job ins fast 700 Kilometer entfernte München. Sie kann das einfach so machen, weil sie das alleinige Sorgerecht innehat. "Ich habe den Jungen bis dahin jeden Tag gesehen. Ich habe nur vier Tage die Woche gearbeitet, um mehr Zeit mit meinem Kind zu haben. Und dann das…", sagt der Wissenschaftler. So oder ähnlich beginnen jedes Jahr Tausende familiäre Dramen in Deutschland. Jedes dritte Kind kommt hier inzwischen unehelich zur Welt. Mehr als 200.000 jedes Jahr. Zwar können sich seit 1998 auch unverheiratete Eltern das Sorgerecht wie in einer Ehe teilen - aber nur wenn die Mutter das will. Und viele wollen das nicht. Pech für Papa.
Die Mutter kann damit allein entscheiden, welche Kita, welche Schule das Kind besucht, in welcher Stadt, in welchem Land es lebt, ob oder welche Religion es bekommt. 


Am Ende der Liebe
Im Fall der Trennung halten Mütter mit dem alleinigen Sorgerecht einen enormen Hebel in der Hand. Am Ende einer Liebe geht es schließlich um die ganz großen Gefühle - egal ob man verlassen hat oder verlassen wurde. Es geht um Trauer und Verletzung, um Wut und Enttäuschung. Und oft genug werden die Kinder in dieses emotionale Chaos hineingezogen; mal mehr, mal weniger. Allein im Jahr 2010 befassten sich Familiengerichte in Deutschland über 12.500 Mal mit Sorgeregelungen unverheirateter Eltern.
Eine Umfrage des Bundesjustizministeriums im Jahr 2006 zeigte die am häufigsten genannten Gründe für das ungeteilte Sorgerecht: 

  • "Die Mutter möchte die Alleinsorge behalten, um allein entscheiden zu können."
  • "Die Mutter möchte nichts mehr mit dem Vater zu tun haben und lehnt daher jeden Kontakt auch in Angelegenheiten des Kindes ab."
Da geht es eher um Bequemlichkeit als um die Frage, was für das Kind gut ist. Fälle, in denen der Vater nur noch zahlen darf, ohne ein Recht auf Mitbestimmung über seinen Nachwuchs, sind keine Seltenheit. Am Ende rügte Karlsruhe die gesetzlichen Grundlagen dafür: Die jetzige Reform des Sorgerechts geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück, das 2010 ledigen, sorgewilligen Vätern eine klare Benachteiligung bescheinigte - und Müttern nicht immer nur uneigennütziges Verhalten zum Besten des Kindes. Die Richter in Karlsruhe kippten das de facto existierende Vetorecht der Mütter gegen ein gemeinsames Sorgerecht. 


Der dramatische Faktor Zeit
Mit dem Gesetz, das das Kabinett Anfang Juli auf den Weg gebracht hat, sollen Väter nun auch gegen den Willen der Mütter das Sorgerecht erhalten können. Ein Antrag beim Familiengericht genügt. Widerspricht die Mutter nicht, soll das gemeinsame Sorgerecht schnell gewährt werden. Widerspricht sie, soll es in der Regel zu einem beschleunigten Verfahren kommen - und nur wenn das Kindeswohl in Frage steht zu einer umfassenden gerichtlichen Prüfung. Und hier lauert die Gefahr, dass sich am Ende für die Väter doch nur wenig ändert - fürchten zumindest Väter-Aktivisten und manche Juristen.
Michael Coester, Vorsitzender der Kinderrechtekommission beim Deutschen Familiengerichtstag, sieht das Problem, dass in strittigen Fällen nach wie vor mindestens der Faktor Zeit auf Seiten der Mütter ist. "Mit Rechtsberatung hat die Mutter die Möglichkeit, ein solches Verfahren problemlos um circa zwei Jahre hinauszuzögern." Und Zeit ist gerade wenn es um kleine Kinder geht, ein wichtiger Punkt. Jonas Förster kämpfte vier Jahre, bis er das Sorgerecht bekam. "Man missbraucht das System, um von außen Bindung zu torpedieren." 

Dabei hätte er, weil sein Kind in Holland geboren wurde, dort einfach nur eine Erklärung abgeben müssen, um das Sorgerecht zu erhalten. In vielen Ländern Europas ist es für Väter unehelicher Kinder sehr viel leichter, auch rechtlich mitbestimmen zu dürfen. Oftmals genügt die Anerkennung der Vaterschaft, um das Sorgerecht zu erhalten.
Das will Michael Stiefel vom Verein Familieninfotreff in Berlin auch für die Väter in Deutschland. "Wir sehen die Vaterschaft als Aufgabe im Vordergrund und nicht nur die Trennung als Problem." Deepak Rajani vom Netzwerk Parentalis hat sogar ein eigenes Konzept für ein neues Familienrecht erarbeitet, für das er intensiv auch im Bundestag wirbt. Darin steht das Kind im Zentrum. Es hat sowohl zur Mutter wie zum Vater das gleiche Rechtsverhältnis. "Wie können die Eltern die Entwicklung ihres Kindes am besten fördern? Das muss für mich im Vordergrund stehen."
Zieht sie morgen nach Timbuktu?
Auch der emeritierte Juraprofessor Coester spricht sich für die sogenannte Ex-lege-Lösung aus, bei der grundsätzlich beide Eltern ab der Geburt oder ab der Feststellung der Vaterschaft die gemeinsame Sorge haben. "Der Regierungsentwurf kommt den Vorsichtigen entgegen", sagt er. "Er ist von gestriger Sicht geprägt." Kein Mensch habe je in Frage gestellt, dass Mütter oder verheiratete Eltern geeignet sind, das Sorgerecht zu bekommen, "aber die nichtehelichen Väter werden skeptisch beäugt." Im Gesetzentwurf rügt er vor allem Verfahrensfragen. Etwa die Idee des beschleunigten Verfahrens, bei dem weder die Eltern noch das Jugendamt angehört werden sollen. "Die Eltern vor Gericht zu sehen, ist unerlässlich."

Väter-Berater Stiefel prophezeit durch die Reform vorerst Stagnation auf dem Weg zur Gleichstellung von Vätern und Müttern. "Die Zahl der Problemfälle wird sicher kleiner. Aber in den problematischen Fällen wird sich nichts ändern." Rajani moniert: "Das System ändert sich ja nicht. Die Mutter muss weiterhin nur sagen, 'der Vater will etwas, was ich nicht will' - und damit ist der Vater raus." Jonas Förster und Sohn Alexander beschäftigen die Gerichte weiter - trotz gemeinsamem Sorgerecht von Vater und Mutter. Denn sie hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Und kurz nachdem es Förster gelungen war, einen passenden Job in München zu finden, um näher bei seinem Sohn zu sein, ist seine ehemalige Lebensgefährtin weitergezogen in die nächste Stadt. Und sie wollte Förster auch lediglich gestatten, den Jungen am neuen Ort zu treffen - nicht in München. Den Forscher zermürbt die Situation. "Ich weiß ja nie, was morgen ist. 

Zieht sie morgen nach Timbuktu? Und dann?"

Für solche Fälle sieht Jurist Coester allerdings auch in Zukunft Grenzen des Regelbaren. "Wo die Eltern sich in Feindschaft verbissen haben, da kann der Staat mit Gesetzesnormen nicht helfen."

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