Eines der schwierigen Themen im Bereich des Familienrechts ist der Entzug des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder, wie eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt (Beschluss vom 28. 2. 2012; Az.: 1 BvR 3116/11). Seit 1998 ist die gemeinsame Sorge der Eltern für ihre Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Regelfall.
Ein Sorgerechtsentzug oder der Entzug eines Teils des Sorgerechts durch das Familiengericht setzt eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls durch einen Elternteil voraus.
© Mannheimer Morgen, Samstag, 04.08.2012 Ein Sorgerechtsentzug oder der Entzug eines Teils des Sorgerechts durch das Familiengericht setzt eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls durch einen Elternteil voraus.
Der Sachverhalt: 2006 hatten sich die Eltern getrennt. Die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Töchter, im Jahr 2002 und 2004 geboren, lebten seither bei der Mutter. Im Mai 2007 kam es zwischen den Eltern in einem Krankenhaus zu einer Auseinandersetzung. Die Mutter warf dem Vater vor, sie bei einem Streit vor den Kindern körperlich misshandelt zu haben. Durch einstweilige Anordnung wurde im Einverständnis mit dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinsichtlich der Kinder auf die Mutter übertragen. Der Umgang der Töchter mit dem Vater wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss geregelt.
Hiergegen legte die Mutter Beschwerde ein, die vom OLG Koblenz zurückgewiesen wurde. In der Folgezeit fand aber nur ein Besuchswochenende der Töchter im Dezember 2009 mit Übernachtung beim Vater statt. Im Februar 2010 begehrte der Vater eine Veränderung und teilweise Erweiterung des Umgangs, was die Mutter vehement ablehnte. Sie beantragte die vorläufige Aussetzung des Umgangs.
Im Rahmen einer Anhörung bei Gericht im Oktober 2010 gaben beide Kinder an, dass sie Besuche beim Vater ablehnten. Das Amtsgericht veranlasste im November 2010 die Einholung eines Gutachtens. Darin empfahl der Sachverständige, die Kinder nicht in der Obhut der Mutter zu belassen. Dieser wurde im Wege der einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anhörung die elterliche Sorge für beide Töchter entzogen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde auf den Vater übertragen. Ferner wurde die Herausgabe der Kinder an das Jugendamt angeordnet.
Mit Zustimmung des Vaters sollten die Kinder vorübergehend in einer Pflegefamilie untergebracht werden. Begründung: Bei Nichteingreifen wäre das Kindeswohl beeinträchtigt. Laut Gutachten würde die Mutter die Umgangskontakte extrem ablehnen und ihre übersteigerten Ängste gegenüber dem Ehemann auf die Kinder übertragen. Das OLG Koblenz bestätigte diese Entscheidung.
Die Mutter legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein, die zu ihren Gunsten entschieden wurde. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob die Entscheidungen der Gerichte auf, da sie die Mutter in ihrem Elternrecht verletzen. Die Erziehung der Kinder liegt primär in der Verantwortung der Eltern.
Die Trennung eines Kindes von den Eltern ist nur zulässig, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn eine Verwahrlosung der Kinder aus anderen Gründen droht. Hierfür genügt aber nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit. Das elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreicht haben, dass das Verbleiben des Kindes dieses in seiner geistigen, körperlichen und seelischen Entwicklung erheblich gefährdet ist. Dabei muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt beachtet werden. Das BVerfG bemängelte zudem, dass sich die Gerichte nicht mit den Auswirkungen der Fremdunterbringung der Kinder, dem Herausreißen aus der gewohnten Umgebung, auseinandergesetzt haben. Ka
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen